: Neue Ministerinnen mit wenig Gewicht
■ Dreiteilung des Ministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit bringt zwei weitere konservative Frauen ins Bonner Kabinett/ Hasselfeldt und Rönsch gelten als Abtreibungsgegnerinnen
Berlin (taz) — Aus eins mach drei: Das einstige Ministerium für Jugend, Familie, Gesundheit und Frauen wird gesplittet und erhält drei neue Chefinnen. Geschickt erhöht die Dreiteilung den Frauenanteil im Kabinett und befriedigt zugleich Ansprüche an die Kabinettsliste von seiten der CSU, den Frauen der CDU- Fraktion und den Abgeordneten aus der Ex-DDR. Und: mit ihren gestutzten Ressorts werden die neuen Frauen wohl kaum ein gewichtiges Wort in der Bonner Männerrunde mitzusprechen haben.
Das Ressort Frauen krankt seit Jahr und Tag an mangelnden Kompetenzen; die Federführung für wichtige Felder der Frauenpolitik rückten Arbeits-und Justizministerium seinerzeit nicht einmal für Rita Süssmuth heraus, auch ein Vetorecht für Gesetze, die Frauen betreffen, gibt es nicht. Unter Ursula Lehr dümpelte das Ressort nur noch dahin. Die Familienpolitik wurde jetzt zwar um den Bereich „Senioren“ aufgestockt; aber vermutlich darf hier nur „Ersatzpolitik“ betrieben werden — dort ein Modellprojekt zur Altersforschung und da ein Zuschuß für einen Seniorenclub. Wichtige politische Fragen wie die Pflegeversicherung verbleiben gleichfalls im Arbeitsministerium .
Mehr Gewicht könnte das Gesundheitsministerium bekommen, wenn es der neuen Ministerin Gerda Hasselfeldt (CSU) gelingt, für sich mehr Kompetenzen herauszuholen. Die CSU reklamiert für ihr neues Ressort die Zuständigkeit für die Krankenkassen. Bisher liegt die Kompetenz für die gesetzlichen Krankenkassen, in denen 90 Prozent aller BundesbürgerInnen versichert sind, beim Bundesarbeitsminister. Und Norbert Blüm möchte sie auch gern behalten. Gerda Hasselfeldt, ehemalige Bundesbauministerin, war auch für ParteifreundInnen ein unbeschriebenes Blatt, als der Bundeskanzler die Bundestagsnachrückerin 1989 in sein Kabinett holte. Große Meriten hat sich die 40jährige Mutter von zwei Kinder, verheiratet, während ihrer Amtszeit nicht erworben; Sozial- und Gesundheitspolitik ist schon eher das Ressort der Volkswirtin. Als Mitglied des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales strickte sie an der umstrittenen Gesundheitsreform von Arbeitsminister Norbert Blüm mit. Gerda Hasselfeldt ist entschiedene Abtreibungsgegnerin.
Die neue Bundesministerin für Frauen und Jugend, Angela Merkel (CDU), bezeichnet sich als „Wertkonservative“. Sie ist die jüngste im Kabinett. Jahrgang 1954 hat die promovierte Physikerin aus der Ex- DDR eine politische Blitzkarriere hinter sich: Vor der Wende parteilos, schloß sie sich im Herbst 1989 dem Demokratischen Aufbruch an. Denn für den schnellen Anschluß an die Bundesrepublik war sie schon „zu einer Zeit, als Marktwirtschaft eigentlich noch Landesverrat war“. Sie wurde Pressesprecherin der Schnur- Truppe, verließ aber nach dessen unrühmlichen Abgang den DA gen CDU. Nach der Volkskammerwahl im März 1990 nahm sie Lothar de Maizière als stellvertretende Regierungssprecherin in seine Dienste. Die Zeit zwischen Vereinigung und Bundestagswahlen überbrückte sie im Team von DDR-Abwickler Günther Krause und gewann für die CDU den Wahlkreis Rügen.
Die 36jährige Angela Merkel wirkt äußerst bieder und brav. Zugeschrieben werden ihr eine schnelle Auffassungsgabe und große Anpassungsfähigkeit. Das gefällt sicher nicht nur dem Kanzler, der aufmüpfige Frauen nun mal nicht ausstehen kann. Die Newcomerin aus dem Osten, verheiratet, kinderlos, dürfte von ihrem Ressort bisher kaum Ahnung haben. Öffentlich zumindest hat sich die neue Ministerin bisher nie zu Fragen der Frauen- und Jugendpolitik geäußert — auch nicht zum Paragraphen 218. Für den Erhalt der DDR-Fristenlösung setzte sie sich jedenfalls nicht ein.
Ihre Ernennung ist ein Trostpflaster für die ostdeutschen Frauen. Schließlich dürfte es inzwischen auch bis zu des Kanzlers Ohren vorgedrungen sein, daß die Frauen aus der Ex-DDR zu den Verliererinnen der Vereinigung zählen. Da macht sich eine „von drüben“ im Frauenressort nicht übel.
Neu einarbeiten darf sich auch die neue Familienministerin Hannelore Rönsch (CDU). Die 48jährige, bisher kaum bekannte Bundestagsabgeordnete wird in Bonn als „arbeitseifrig“ und „einsatzfreudig“ beschrieben. Auf sie fiel die Wahl, um die Frauen der Fraktion zufriedenzustellen, die über die ständige Bevorzugung von Seiteneinsteigerinnen empört waren. Da macht es auch nichts, wenn Familienpolitik keinesfalls zu den Arbeitsschwerpunkten der 48jährigen Bundestagsabgeordneten zählt. Hannelore Rönsch, verheiratet, eine Tochter, ist seit 1983 im Bundestag und war in den Ausschüssen Raumordnung, Bildung und Wissenschaft und zuletzt noch Entwicklungshilfe engagiert. Seit 27 Jahren in der CDU, diente sie sich über lange Jahre in der Kommunalpolitik hoch. 1990 wurde sie stellvertretende Vorsitzende der hessischen CDU und zählt zu den Konservativen innerhalb ihrer Partei. So schimpft sie gerne über die „Fließbandmoral“ von Frauen, die angeblich leichtfertig abtreiben lassen und befürwortet eine schärfere Abtreibungspraxis. Ulrike Helwerth
und Helga Lukoschat
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