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Autonome und Behinderte

■ ZDF-Sendung live aus der taz wurde zur Kundgebung gegen den Krieg am Golf/ Über das ursprüngliche Thema: „Information — Was ist wichtig, was ist richtig für den Zuschauer“ wurde erst nach Sendeschluß geredet

Berlin (taz) — Einmal im Monat stellt sich ein Herr aus der Chefetage des ZDF 45 Minuten lang den Fragen seiner kritischen ZuschauerInnen oder besser gesagt: den zeitungslesenden ZuschauerInnen. Diesmal nun hatten die Fernsehmacher die LeserInnen der taz für die Live-Sendung Wir stellen uns auserkoren — wohl wissend, daß man mitten im Herzen der „links-alternativen Bestie“ vor Überraschungen nicht sicher sei. Was gestern dann in der zum ZDF-Studio umfunktionierten taz- Kantine an spontanen Mißfallensäußerungen live über den Äther ging, war tatsächlich mehr, als in der sonst eher betulichen Sendung die Regel ist.

Etwa 40 autonome GolfkriegsgegnerInnen verschafften sich Zugang zur gerade erst in Schwung gekommenen Diskussion. „Giftgas und Völkermord, das ist BRD-Export“ stand auf dem hinter Chefredakteur Klaus Bresser und Moderator Frank Elstner entrollten Transparent. Einer der Besetzer verkündete lautstark den Grund ihres unvorhergesehenen TV-Auftritts. Deutsche Firmen seien wegen ungebrochener Rüstungsexporte unmittelbar am Golfkrieg beteiligt, das Fernsehen, die Medien überhaupt würden nur einseitig über den Krieg berichten und den massenhaften Protest dagegen verschweigen. Ganz besonders schlimm sei in diesem Zusammenhang nicht etwa das Fernsehen, sondern gerade die taz. Angespielt wurde dabei auf die kritische Kommentierung der gewalttätigen Auseinandersetzungen am Rande der Antikriegsdemonstrationen in Berlin. Damit also war die Katze aus dem Sack: Nicht die Politiker, die Militärs, das ZDF oder sonstige Medien, sondern die taz, das sind die wahren Kriegstreiber. Immerhin, das ZDF brach die Sendung trotz zeitweiliger Tumulte nicht ab, sondern die Anwesenden versuchten, mit den autonomen Besetzern zu diskutieren.

Entgangen war den Besetzern allerdings, daß sich die Diskussion auch schon vor ihrem Auftritt gerade um die von ihnen eingeforderten Themen drehte. Mit Diskussion hatten die Störer allerdings wenig im Sinn. Aufgeregte Zwischenrufe, Unterbrechung anderer Redebeiträge und das Skandieren von Antikriegsparolen war alles, was für den Rest der Sendezeit an undifferenzierten Äußerungen übrigblieb. Zum Schluß ergriff eine ebenfalls anwesende Gruppe Behinderter das Wort, die die Sendung zum Diskussionsforum über ihre alltäglichen Diskriminierungen umfunktionieren wollte. „Wann wird ein Rollstuhlfahrer als Nachrichtensprecher im Fernsehen auftreten dürfen?“ Sicher keine überflüssige Frage, aber im allgemeinen Sendechaos blieb sie ebenso unbeantwortet wie die Bemerkung einer taz-Leserin, die sich über die Engstirnigkeit der Besetzer aufregte, die neben ihrer militanten Haltung offenbar keine andere Meinung dulden. „Giftgaskrieg und Völkermord, das ist BRD-Export“, skandierten die Besetzer, um dann in den Sprechchor der Behinderten mit einzustimmen, die dagegen brüllten: „Bus und Bahn für alle“. Die Sendezeit war um, und mit ihr entschwanden die unerwarteten Gäste, an den Gesprächen nach der Sendung bestand offenbar kein Interesse.

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