: Entscheidung für TV-Politik
■ Zu den Ressortvereinbarungen von CDU und SPD
Nach ihrem tagelangen Postenschacher haben CDU und SPD zumindest eines erreicht: Die jetzt vereinbarte Ressortverteilung ist eine Überraschung. Unerwartet gewählt hat vor allem die SPD — falls sie die Wahl hatte. Sie eroberte den Posten des Wirtschaftssenators und auch das Kulturressort, mußte dafür aber auf die Finanzverwaltung verzichten. Die SPD will offensichtlich loskommen vom Arbeiterwohlfahrtsimage und der CDU das von Politikern wie Volker Hassemer oder Ulf Fink geprägte Etikett der modernen Großstadtpartei streitig machen.
Doch da kann sich die SPD verkalkuliert haben. Denn ausgerechnet die reformträchtigen Felder der Umwelt- und Verkehrspolitik dürfen künftig von der CDU besetzt werden. Wirtschaftspolitik dagegen kommt — zumindest auf Landesebene — selten über Psychologie, über das Streicheln wunder Unternehmerseelen hinaus. Und Arbeitsmarktpolitik dürfte in den nächsten Jahren in erster Linie in der monatlichen Veröffentlichung neuer Schreckenszahlen bestehen.
Katastrophenträchtig sind freilich auch die Innen- und die Finanzverwaltung. Wer für sie in den nächsten Jahren verantwortlich ist, muß für grausame Sparpolitik einstehen und — das fürchtet die SPD — für das Niederknüppeln sozialer Proteste in der ärmer werdenden Stadt. Trotzdem ist es ein eklatanter Machtverlust für die Sozialdemokraten, daß sie nun beide Querschnittsressorts, über die in alle Felder der Stadtpolitik hineinregiert werden kann, den Christdemokraten überlassen mußte. Die SPD hat sich für die öffentliche Darstellung von Politik entschieden, für TV-Politik, nicht aber dafür, neue Akzente auch durchzusetzen.
Eine Katastrophe eigener Art liegt in der Person des künftigen Innensenators. Doch der mehr als zwielichtige FU-Präsident Dieter Heckelmann sorgt für die Erfüllung eines ungeschriebenen Gesetzes: Auf Frauen kann ein CDU-Kabinett verzichten, auf Skandalnudeln aber auf keinen Fall. Hans-Martin Tillack
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