: Streit um „Bündnisfall“
■ Vogel sieht keine Bundestagsmehrheit/ FDP: Irakischer Angriff ist nicht unbedingt ein Bündnisfall
Bonn (dpa) — Der Bonner Streit um die Frage, wann für die deutschen Streitkräfte der „Nato-Bündnisfall“ eintreten könnte, geht unvermindert weiter. Verteidigungsminister Gerhard Stoltenberg (CDU) machte am Montag abend im Zweiten Deutschen Fernsehen deutlich, daß nach dem Nato-Vertrag auch die Bundeswehr dem Nato-Partner Türkei bei einer Aggression durch den Irak zu Hilfe eilen müßte.
Der SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel vertrat dagegen am Dienstag vor Journalisten den Standpunkt, im Bundestag gebe es keine Mehrheit für die Auslösung des Bündnisfalls.
Stoltenberg erläuterte im Fernsehen, „Orientierungspunkt“ sei eindeutig Artikel 5 des Nato-Vertrages, nach dem bei einem militärischen Angriff, einer Aggression gegen einen Mitgliedstaat der Nato die Bündnisverpflichtung zum Beistand gilt. Ein Angriff auf die Türkei sei sehr unwahrscheinlich. „Aber wir müssen vorbereitet sein für den unwahrscheinlichen Fall, dann gemeinsam mit unseren Verbündeten auch über die notwendige Antwort zu sprechen.“ Die jetzt in Ostanatolien stationierten deutschen Soldaten könnten aber nicht automatisch in einen Konflikt verwickelt werden. Es bedürfe eines besonderen Beschlusses mit Zustimmung der Bundesregierung, um den Verteidigungsfall wirksam werden zu lassen.
Vogel sagte, es müsse deutlich werden, daß die Bundesrepublik anderer Meinung sei als Nato-Generalsekretär Manfred Wörner. Er hatte erklärt, der Bündnisfall werde eintreten, wenn der Irak die Türkei wegen der von ihrem Territorium aus geflogenen US-Angriffe attackieren würde.
Vor diesem Hintergrund stellte Vogel auch die Frage, ob die zur Abschreckung des Irak in die Türkei entsandten Alpha-Jets der Bundeswehr nicht zurückgeholt werden sollten. Eine größere Abschreckung als die amerikanischen Angriffe vom Boden der Türkei aus sei nicht vorstellbar.
Auch der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Olaf Feldmann, meinte gegenüber der „Dresdner Morgenpost“, bei einem irakischen Angriff auf das Nato-Land Türkei sei nicht unbedingt der Bündnisfall gegeben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen