: Metaphysisches Tauziehen
■ „Tote Engel lügen nicht“, Mystery-Thriller um 00.30 Uhr in RTL
Eine unüberschaubare Masse amerikanischer Produktionen gelingt zwar der Sprung über den Teich, jedoch nicht der auf die hiesigen Leinwände. Das liegt bestimmt nicht nur daran, daß diese Streifen generell nichts taugen. Wenn es darum geht, abzutaxieren, ob ein Film wenigstens die zur Verbreitung notwendige, mindestens sechsstellige Investition an Werbekosten wieder einspielt, so denken Filmverleiher streng kaufmännisch. Was nicht irgendwie hitverdächtig ist, fällt durch und wird auf Video verfüttert.
Lloyd Fonvielles Tote Engel lügen nicht (The dead can't lie) von 1988 ist ein solcher Fall. Vom konventionellen Standpunkt her betrachtet überzeugt dieser Afterlife-Krimi kaum. Die Farben sind zu grell, die Kameraführung ist einfallslos, und die darstellerischen Leistungen sind auch nicht gerade oskarverdächtig.
Trotzdem! Die schräge Geschichte, die der Film im Stil der Schwarze-Serie-Krimis der 40er Jahre entfaltet, kommt in privaterer Atmosphäre vor dem TV doch irgendwie rüber. Privatdetektiv Eddy Mallard (Tommy Lee Jones) hat bessere Zeiten erlebt. Seit Monaten ohne Auftrag, sitzt er abgebrannt in seinem schäbigen Büro und dreht erfolglos an einem Rubik-Würfel herum. Sogar der Verwalter, der die überfällige Büromiete eintreiben will, hat besser Sprüche auf den Lippen als Eddie. Die Lage ist ernst.
Als der paranoide Millionär Charly Rand (Colin Bruce) ins Büro stolpert und einen Packen grüner Scheine mit schwarzen Zahlen auf den Tisch legt, werden Eddies Augen groß. Die fragwürdige Gegenleistung soll darin bestehen, herauszufinden, warum Charlie von seiner Frau Rachel verfolgt wird, die doch seit zehn Jahren tot ist. „Nimm den Auftrag an“, rät ihm ein praktisch denkender Freund beim Dinner, „dann kannst zur Abwechselung auch du Mal die Rechnung übernehmen.“ Gesagt, getan.
„Ich habe meine Frau wegen ihres Aussehens geheiratet. Sie mich wegen des Geldes“, erklärt der von einer Heimsuchung geplagte Charlie. Klare Dialoge wie wir sie aus Chandler-Krimis kennen und lieben. Zu Eddies Überraschung existiert Rachel (Virginia Madsen) „wirkilch“. Ein mondän-zickiger Luxus-Vamp, der coole Machos gerade mal zum Frühstück verputzt. Als sich Eddie auf eine heftige Liaison mit ihr einläßt, begeht er einen Fehler: Business und Pleasure vermischt man nicht ungestraft. Selbst ein Stapel Zeitungsausschnitte, die den Tod Rachels belegen, überzeugen Eddie nicht, daß in der Beziehung zu einer Toten keine Zukunft liegt. Fatal. Erst als er heraufindet, daß Rachel ihn nur für ihre Zwecke mißbrauchen will, zieht Eddie Konsequenzen. Das Vergnügliche an diesem Magic-Mystery-Thriller ist, daß das metaphysische Tauziehen, ob Rachel nun von diesseits oder jenseits stammt, auf der Ebene der praktischen Logik der Protagonisten und nicht auf der von Sein oder Nichtsein entschieden wird. Wie schon bei Philip Marlowe fungiert auch hier der gute alte Bourbon als probates Mittel zur Konfliktbewältigung. Manfred Riepe
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