: Vorschläge für rrradikal neue Parteistruktur
Grüner Bundesvorstand plädiert für kleineren Vorstand, straffere Führung, mehr Kompetenzen und weniger BAGs ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Die Grünen sollen künftig von zwei Vorsitzenden geführt werden, denen fünf ehrenamtliche Vorstandsmitglieder zugeordnet sind. Die bisherigen drei Sprecherämter sollen ebenso abgeschafft werden wie die jetzt sieben hauptamtlichen Beisitzer, vertritt eine Mehrheit im Bundesvorstand. Die vom Vorstand jetzt beschlossenen Strukturvorschläge, die keine endgültige Festlegung darstellen sollen und teilweise mehrere Alternativen enthalten, müssen auf dem Erneuerungsparteitag der Grünen im April von den Delegierten gebilligt werden.
Der Bundeshauptausschuß, das höchste Beschlußgremium zwischen den Parteitagen, soll nach der Mehrheitsmeinung der Parteiführung abgeschafft werden. Statt des zufällig zusammengesetzten und wegen der fehlenden Anbindung an die Landesvorstände wenig effektiven Gremiums favorisieren die Vorständler einen „Länderrat“, dem neben den Bundesvorstandsmitgliedern die Landesvorstände angehören sollen. Oberstes Beschlußgremium aber wird der Bundesvorstand. Damit soll nach den Worten der Vorstandssprecherin Heide Rühle der „Mißtrauenskultur“ der Partei mit seiner gegenseitigen Entscheidungsblockade ein Ende gemacht werden.
Für die Position des Bundesgeschäftsführers, der bisher trotz seiner starken innerparteilichen Stellung demokratisch nicht legitimiert war, gibt es zwei Modelle. Eines sieht eine Neuwahl nach vier Jahren vor; im anderen Modell wird er vom Bundesvorstand berufen und ist an dessen Amtszeit gebunden. Die Bundesarbeitsgemeinschaften (BAG) sollen radikal von derzeit 27 auf maximal 12 zusammengestutzt werden. Schluß soll sein mit der Autonomie: die BAGs sollen durch ein „striktes Delegationsprinzip“ fester an Bundesvorstand und Landesvorstände angebunden werden; die Zahl der jährlichen Sitzungen soll auf ein Drittel reduziert und die Haushaltsmittel vom Bundesvorstand genehmigt werden. Welche Arbeitsgemeinschaften gestrichen werden, hat der Vorstand noch nicht festgelegt. Ziel ist nach den Worten des Vorstandsmitglieds Axel Vogel eine klare Konzentration auf Schwerpunkte. Die Unvereinbarkeit von Partei- und politischen Ämtern soll bestehen bleiben, beschloß der Vorstand mit großer Mehrheit. Im Gespräch ist aber eine „funktionsbezogene Aufhebung“, damit beispielsweise Bundestagsabgeordnete im Länderrat mittun können. Zurückhaltung gab es auch bei der Abschaffung der Rotation. Dies sei vor allem Ländersache, hieß es. Eingeschränkt werden aber die Rotationspflicht für Bundesvorstandsmitglieder.
Das Grüne Tagungshaus Wittgenstein soll verkauft werden, entschied der Vorstand. Der Vorschlag, das stark zuschußbedürftige Tagungshaus weit vor den Toren Bonns künftig als Bundesgeschäftsstelle der Partei zu nutzen, fand keine Mehrheit. Damit würde sich die Partei völlig aus der öffentlichen Wahrnehmung verabschieden, wurde eingewandt.
Der Haushalt der Partei — in dem nach der Bundestagsniederlage ein Zwei-Millionen-Loch klaffte — soll außerdem durch erhöhte Abgaben der Landesverbände saniert werden: statt gegenwärtig 2,50 Mark sollen 3,50 Mark monatlich pro Mitglied abgeführt werden. Einzige Alternative ist nach Aussage des Schatzmeisters Vogels freilich, das Vermögen des Solidaritätsfonds in Höhe von 5, 5 Millionen Mark anzugreifen, mit deren Zinsen Projekte in der dritten Welt unterstützt werden.
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