: Beschränkter Entscheidungscharakter
■ Die zweite Sitzung des Rundfunkbeirats/ Gegen eine juristische und für eine politische Lösung
In der zweiten Sitzung des Rundfunkbeirats (je drei vom Parlament gewählte Vertreter der neuen Länder), der die Überführung des ehemaligen DDR-Fernsehens und des Hörfunks gemeinsam mit dem Rundfunkbeauftragten Rudolf Mühlfenzl bewerkstelligen soll, überraschte letzterer am Mittwoch mit einem Gutachten des Bundesministeriums des Inneren. Danach kann der Rundfunkbeirat „lediglich in eigenen Angelegenheiten (so etwa bei Verabschiedung einer eigenen Geschäftsordnung) Beschlüsse mit einem auf das Gremium beschränkten Entscheidungscharakter fassen“. Das taten die Mitglieder dann auch ausgiebig und hatten selbst da ihre liebe Mühe, die von Mühlfenzls Stab erarbeitete Vorlage in wesentlichen Punkten, wie die allzu selbstherrlich angelegten Rechte des Vorsitzenden, Uwe Grüning (CDU Sachsen) demokratischer zu formulieren und den bereits in der ersten Sitzung gebildeten Ausschüssen mehr Spielraum einzuräumen. Je sechs Mitglieder arbeiten in den Ausschüssen Haushalt (Vors. Wilfried Hampe [FDP], Berlin), Programm (Vors. Günter Gaus [SPD], Brandenburg) und Personalstruktur (Manfred Becker[SPD], Mecklenburg/Vorpommern).
Weiterer Tagungsordnungspunkt war die erste Kenntnisnahme des Manteltarifvertrages zwischen der Einrichtung, der IG Medien und anderen Gewerkschaften, dem die Mitglieder in der Tendenz zustimmten, sich aber eine präzise Stellungnahme nach einer gründlichen Analyse in den Ausschüssen vorbehielten.
Konfliktstoff bot wiederum der Werbevertrag des DFF mit dem IPA, der Werbung nach 20 Uhr verlangt. Mehrere Anwesende plädierten gegen eine juristische und für eine politische Lösung. Soll heißen: Erfüllung des IPA-Vertrages im nächsten halben Jahr und Verwendung der Werbegelder zur Anschubfinanzierung der neuen Landesrundfunkanstalten und Sozialmaßnahmen. Man beschloß, ein neues und ebenso unabhängiges Gutachten, wie es die Mühlfenzl-Gruppe bereits hat, in Auftrag zu geben.
Das schon erwähnte Gutachten des Bundesministeriums des Inneren entschied in seinem letzten Punkt — sicherheitshalber rückwirkend bis 3.Oktober 1990 — über das umstrittene Schicksal des noch intensiv arbeitenden Fernseh- und Hörfunkrats: „Mit der Schaffung der beiden Organe der Einrichtung nach Art.36 Abs.1 EV ist zugleich auch ausgeschlossen, daß vor dem 3.Oktober 1990 errichtete Organe der in die neue Einrichtung übernommenen Teileinrichtungen Rundfunk der DDR und Deutscher Fernsehfunk — Hörfunkrat und Fernsehrat — weiter existieren.“ Dieses Papier, eine Interpretation des Art.36 des Einigungsvertrages, erreicht, was die amtierenden Intendanten Albrecht (DFF) und Singelnstein (Hörfunk) betrifft, die Höhe eines schon schizophrenen Gnadenaktes: „Andere Personen (als Mühlfenzl, Anm. d. Red). haben, auch wenn sie ihre Funktion weiter ausüben, damit keine Leitungsfunktion mehr.“ Den Mitgliedern des Rundfunkbeirats, die ja immerhin die Gesamtheit der Gebührenzahler in den neuen Ländern vertreten, werden Illusionen auf eine demokratische Mitbestimmung beim Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems knapp und eindeutig genommen: „Der Rundfunkbeirat — wie dies in seinem Namen auch schon zum Ausdruck kommt — besitzt lediglich Rechte, die in ihrer Ausformung unterhalb der Ebene der Entscheidungsbefugnisse angesiedelt sind [...] Damit steht fest: Beratungs- und Mitwirkungsrechte verleihen dem Rundfunkbeirat keine Entscheidungsbefugnisse.“ Allein übrig als Herr über die Geschicke der Einrichtungen und damit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Ländern bleibt Rudolf Mühlfenzl, der diesen seinen Rundfunkbeirat, bevor er bestand, so sehr herbeisehnte. Das bemerkenswerte Gutachten des Bundesministeriums des Inneren ist nicht datiert. Sollte es älteren Datums sein, macht es Mühlfenzls Sehnsucht im Nachhinein makaber glaubhaft.
Der Rundfunkbeirat wird ein neues, ebenfalls unabhängiges Gutachten in Auftrag geben. Die nächste Sitzung findet am 20.Februar statt. K. Gehrig
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen