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Ubbelohdes Asexualität ist nur 10.000 Mark wert

■ Als heterosexuell beleidigter Politiker bekommt Schmerzensgeld zuerkannt/ Prozeßlawine geht weiter

Charlottenburg. Kaiser, Dr. Kaiser, hieß der Vorsitzende Richter, und entsprechend ging es gestern auch zu im Charlottenburger Kammergericht. Dort wurde zum inzwischen vierten Mal der Fall des ehemaligen Charlottenburger Bürgermeisters Baldur Ubbelohde (CDU) verhandelt. Dem Ex-Bezirkschef wurden in zweiter Zivilinstanz 10.000 Mark Schmerzensgeld zuerkannt. Grund: Micha Schulze, 1988 schwuler Redakteur einer AL-Wahlkampfzeitung, hatte damals in einer Satire behauptet, daß der damalige Ubbelohde heterosexuell sei. In der ersten Instanz waren es noch 20.000 Mark gewesen, die Micha Schulze und seine Partei, die AL, bezahlen sollten. Halber Preis, aber doppelt absurd. Denn wieso kann Ubbelohde nun 50 Prozent weniger beleidigt sein, und warum beachtete der 9. Zivilsenat nicht die Urteile der Strafgerichte in Moabit? Die hatten Schulze/AL nämlich zweimal vom Vorwurf der Beleidigung freigesprochen. Der Artikel, so die Richter damals, gebe »keine strafwürdigen Tatsachenbehauptungen« wieder.

Die Satire hatte in einer Art Rollentausch die gängigen gesellschaftlichen Vorurteile gegen Homosexuelle thematisiert. O-Ton: »Wir kannten ihn bislang als anständig schwulen Politiker und Menschen. In letzter Zeit häufen sich jedoch Gerüchte über eine vermeintliche Heterosexualität des Spitzenkandidaten der CDU.« Das wollte der CDU-Mann nicht auf sich sitzen lassen. Er verklagte Schulze und die AL und erklärte gleichzeitig aus Versehen (und sehr vielsagend) seine Asexualität: »Unrichtig ist die Behauptung, daß ich homosexuell, schwul oder heterosexuell sei.« Die in 3.000er Auflage erschienene und größtenteils polizeilich beschlagnahmte Satire, so Ubbelohde und sein Anwalt Raue, habe den später nicht wiedergewählten Politiker schwer ehrverletzt.

Seitdem befassen sich Berliner Gerichte mit der Frage: Satire oder nicht? Doch was die Strafrichter selbst »einfach strukturierten Durchschnittslesern« zutrauten, nämlich zu erkennen, daß der Artikel Tatsachen »verfremdet« und »im weitesten Sinne Kunst ist«, das wollte der 9. Zivilsenat sich selbst nicht zumuten. Auf die theoretische Ebene begaben sich die drei Hete-Robenträger nicht hinab. Die Frage der Satire zähle nicht. Ubbelohde habe in den Schmutz gezogen werden sollen, es liege ein »schwerer Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte« vor.

Es war nicht das letzte Mal, daß sich Richter mit dem Fall Baldur beschäftigen müssen. Strafrechtlich steht die Revision der Staatsanwaltschaft und Ubbelohdes vor dem Kammergericht an. Schulze, der das Urteil als »Beleidigung aller Schwulen und Lesben« bezeichnete, will den Zivilprozeß vor dem Bundesgerichtshof weiterführen. kotte

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