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Zwei Radio- und ein TV-Sender neu

■ Kabelrat vergibt Hörfunkfrequenz an »Inforadio« und »RTL Radio« sowie Fernsehkanal an »RTL plus«/ »Radio 100« darf ein Drittel an Musiksender »NRJ« verkaufen — im Sender jetzt erneut Krach

Berlin. Das Medienangebot wird spannender: Demnächst werden neben den jetzigen 16 Radiosendern, die in Berlin zu empfangen sind, zwei neue Hörfunkanbieter um die Ohren der Berliner und Umländer kämpfen. Der Kabelrat hat jeweils eine Frequenz an »Inforadio Berlin« (101,3 MHz) und »RTL Radio Berlin« (105,5 MHz) vergeben. Die »Äther-Politiker« haben ebenfalls dem Antrag vom linken Sender »Radio 100« zugestimmt, 38 Prozent der Gesellschafteranteile an die französische Gesellschaft »Nouvelle Radio Jeunesse« (NRJ) zu verkaufen. Auch »Radio 100« wird dann offensiv auf dem Werbe- und Zuhörermarkt auftreten — mit Hilfe des französischen Kapitals. Zudem wird der Fernsehsender »RTL plus« demnächst über Antenne zu empfangen sein.

Die Entscheidungen des Kabelrates sind in allen Fällen an Konzepte und zum Teil auch an Bedingungen geknüpft worden. »RTL plus« darf nur über Antenne senden, wenn der Sender sein »Frühstücksfernsehen« (werktags von 6 Uhr bis 9 Uhr) in Berlin produziert. Etwa 70 Arbeitsplätze würden dadurch an der Spree entstehen, erklärte gestern Birgit Fehrenkämper, Sprecherin des Privatsenders in Köln. In Luxemburg gingen diese Arbeitsplätze verloren. »Darüber hinaus werden wir unsere Präsenz ganz sicher ausbauen«, versprach Fehrenkämper. Die in Berlin vorhandene Nachrichtenredaktion würde verstärkt werden. Der Kabelrat hat sich vorbehalten, Sendezeiten für ein regionales Fenster an »hiesige Veranstalter« zu vergeben.

»Inforadio«, ein Gemeinschaftsprodukt des »Tagesspiegels« und des Dudelfunks »Radio Schleswig-Holstein«, verspricht, der spannendste unter den Hörfunkanbietern zu werden. »Inforadio« will ein Informationsprogramm fast ohne Musik veranstalten. »RTL Radio«, 100prozentige Tochter von Radio Luxemburg, wird sich vermutlich von herkömmlichen Radioanstalten kaum unterscheiden. Radio Luxemburg hat zugesagt, Berlin zur Zentrale seiner deutschsprachigen Hörfunkaktivitäten von RTL zu machen. Bei »Radio 100« soll trotz des geplanten Verkaufs (38 Prozent der Gesellschafteranteile) an den französischen Musiksender »NRJ« »die Offenheit für linksalternatives Radiomachen erhalten bleiben«, erklärte Hans Hege, Direktor des Berliner Kabelrates, gestern auf Anfrage.

Derweil erhitzten sich beim linksalternativen Sender die Gemüter. Dieter Rulf, Geschäftsführer des »Anderen Radios Berlin« (32 Prozent Anteile an »Radio 100«), erklärte zwar, daß der Verkauf an die Franzosen in den nächsten beiden Wochen stattfinden könne. Doch überraschend kündigten »Radio 100«-Mitarbeiter an, daß sie dem nicht zustimmen werden. Werner Voigt, Mitglied des MitarbeiterInnen-Vereins (34 Prozent), fordert, daß die geplanten Anteile an den Berliner Verlag »Elefanten Press« verkauft werden. Seit 10 Tagen gebe es ein Angebot. Deren Kapitalspritze würde die Existenz für den Sender in der Potsdamer Straße zwei Jahre lang sichern. Ein Minderheitenprogramm sei weiterhin garantiert, und es werde keinen Chefredakteur geben. Thomas Thimme, Geschäftsführer von »Radio 100«, bezeichnete das »Elefanten«-Angebot dagegen als »unseriös«. Obwohl »Elefanten-Press« den monatlichen Redaktionsetat von 50.000 Mark um 20 Prozent kürzen wolle, verlange der Verlag eine Sperrminorität: ohne seine Zustimmung könne nichts mehr entschieden werden. Auch wolle »Elefanten- Press« im Gegensatz zu »NRJ« die Geschäftsführung austauschen. Die Verleger hätten viel mehr Einfluß auf die Radiomacher als die Geldgeber aus Frankreich, die den Redaktionsetat auf 150.000 Mark erhöhen würden. »NRJ« wolle das Musikprogramm radikal ändern, weil die Klangfarbe und nicht die Nachrichten, Berichte und Reportagen über die Einschaltquote entschieden. Dirk Wildt

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