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WIR ham's geschafft: WIR sind die Nummer eins

■ Boris Becker gewann trotz einiger Schwierigkeiten physischer Natur durch ein 1:6, 6:4, 6:4, 6:4 gegen Ivan Lendl die Australian Open und schwang sich damit zur Nummer eins der Weltrangliste auf/ Bei den Frauen rückt Monica Seles nach ihrem Sieg von Melbourne Steffi Graf auf die Pelle

Melbourne (dpa/taz) — Ivan Lendl kannte die Situation bereits aus dem letzten Jahr: Er steht im Finale der Australian Open und spielt kühl sein Pensum herunter, während sich sein Gegner auf der anderen Seite verletzungsgeplagt mühsam über die Runden quält. Vor Jahresfrist hatte Stefan Edberg wegen einer Bauchmuskelzerrung aufgeben müssen, diesmal schien auf Boris Becker ein ähnliches Schicksal zu lauern.

Völlig verspannt war Becker auf den Platz gekommen, mußte fast willenlos zusehen, wie Lendl im ersten Satz seine Schläge unerreicbar plazierte, schlug miserabel auf und setzte die Bälle seinerseits vorzugsweise ins Netz oder meilenweit ins Aus. Schnell lag er 0:4 zurück, da half es nichts, daß er jede Gelegenheit zu gymnastischen Übungen nutzte, daß er theatralisch seinen Schläger verfluchte und nach besonders krassen Fehlleistungen herzzerreißend jammerte. „Ich kann nicht laufen, das gibt's nicht“, tönte es immer wieder, und selbst als Lendl einen Schmetterball dilettantisch ins Netz setzte, kam von Becker mitnichten ein Jubelruf, sondern heftiges Klagegeschrei darüber, daß er dem Tschechoslowaken den Ball überhaupt so hoch zugespielt habe.

Lendl gewann den ersten Satz mit 6:1 und sah sich eingedenk der Vorjahrserfahrungen mit Edberg wohl bereits als sicherer Sieger. Während Becker sich in den Pausen langsam vom Physiotherapeuten aufpäppeln ließ, versäumte es Lendl, ihm rechtzeitig den Aufschlag abzunehmen. Eine kleine Unachtsamkeit des Titelverteidigers und schon war der Satz futsch: 6:4 für Becker.

Fortan lief es für den Deutschen wie geschmiert. Becker hechtete und spurtete, setzte Lendl unter Druck, griff tapfer an und behielt sogar in langen Grundlinienduellen die Oberhand. Sechs Satzbälle brauchte er zum Gewinn des dritten Satzes, am Schluß reichte ihm schon der zweite von drei Matchbällen zum Titel der Australian Open und damit zum Erklimmen des Weltranglistengipfels.

Nun erst fiel jede Verkrampfung von ihm ab, er warf den Schläger in die Menge und hüpfte wie ein Springfrosch auf dem Platz herum, um dann, vom Beckenbauer-Syndrom gepackt, die Einsamkeit zu suchen. Unter den erstaunten Blicken der 14.000 Zuschauer verschwand er vom Center Court, begab sich für einige Minuten in den benachbarten Park zur Meditation und kehrte erst dann zur Siegerehrung zurück.

Gefaßt hatte er sich immer noch nicht. „Es ist unglaublich, ich finde im Moment keine Worte, ich danke Euch allen, es tut mir leid“, stammelte er ins Mikrofon. Etwas später hatte er aber auch seine rhetorische Verspannung überwunden und meinte: „Es wird einige Tage oder Wochen dauern, bis ich verstehen werde, was ich erreicht habe.“ Dann kann es jedoch schon zu spät sein, denn in den nächsten Wochen muß Becker seine Titel von Brüssel und Stuttgart verteidigen. Wenn das mißlingt, könnte sich Edberg wieder an ihm vorbeimogeln. Während Becker endlich sein größtes Ziel nach Wimbledon erreicht hat, wird die Luft für Steffi Graf ziemlich dünn an der Spitze der Weltrangliste. In einem wenig hochklassigen Finale besiegte die Jugoslawin Monica Seles die Tschechoslowakin Jana Novotna und verringerte den Rückstand zur deutschen Nummer eins auf läppische 38 Punkte.

Dabei hatte Seles lange Zeit gar nicht vorgehabt, in Melbourne anzutreten und sich dementsprechend leger auf das Turnier vorbereitet. „Nach dem Hopman-Cup Anfang des Jahres lag die Chance für meinen Start nur bei etwa 30 Prozent. Dann habe ich mich eine Woche lang überhaupt nicht um Tennis gekümmert, bin jeden Abend lange unterwegs gewesen und habe bei der Schwimm- WM zugesehen. Dann habe ich gedacht, ich schaue mal, ob es geht.“

Es ging glänzend, wenngleich Seles bei ihrem Halbfinalspiel gegen Mary-Joe Fernandez eine gehörige Portion Glück benötigte, um mit 9:7 im dritten Satz ins Endspiel einzuziehen. Dort wurde die 17jährige von Jana Novotna, die viel zu ungeduldig spielte und über fünfzig „unforced errors“ beging, wenig gefordert und gewann 5:7, 6:3, 6:1. „Wenn man alles zusammen nimmt, ist Steffi immer noch die Beste“, sagte dennoch die Tschechoslowakin, die von der zweimaligen Australian-Open-Siegerin Hana Mandlikova betreut wird und im Viertelfinale Steffi Graf ausgeschaltet hatte.

Eine Einschätzung, die Monica Seles selbst keineswegs übelnimmt. Auf die Frage, was sie noch verbessern müsse, um nach ganz oben zu kommen und dort zu bleiben, sagte die Jugoslawin kurz und knapp: „Alles.“ Matti

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