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Festival der Werbefutzis

■ Wie jedes Jahr an einem Wochenende: die neue „Cannes Rolle“

Es hat schon Tradition, aber ein vollbesetztes Kino am Samstag morgen ist immer wieder beeindruckend. Die Schülerschaft der Hochschule für Künste pilgerte in die fünf ausverkauften Veranstaltungen im Europa Film Palast und lachte über japanische Reklame für Bügeleisen, englische Beer- Commercials und zigarettenrauchende Tiere. Der Papagei mit dem Glimmstengel im Schnabel wirbt natürlich nicht für sondern gegen das Rauchen, und auch sonst konnten die wenigen prämierten Werbespots von Tabakfirmen nicht gegen die viel besseren Filme der Gegenpartei anstinken.

In diesem Jahr ist Werbung, die nicht verkaufen will, sondern überzeugen, en Vogue. Mit den gegeneinandergeschnitten Dokumentarbildern von KZ-Opfern und sterbenden Kindern in der Dritten Welt kommt ein englischer Spot an die Grenze des Erträglichen, und es ist schon etwas pervers, wenn man Sekunden später dazu verführt wird, über einen Opa zu lachen, der ohne die richtige Brille nicht in den Bus, sondern aufs Feuerwehrauto steigt. Die Anti-Aids Filme, bei denen man im letzten Jahr so oft schlucken mußte, sind zum Glück ganz schnell wieder aus der Mode gekommen; dafür gibt es jetzt ganz erstaunlich boshafte Kondomwerbung, in der etwa beklagt wird, daß die Eltern von Frau Thatcher nicht auch schon Geburtenkontrolle betrieben.

Die schönen, hochgestylten Menschen und Bilder sind ebenso out wie die atemberaubenden und teuren Effekte. Die Pointen kommmen in diesem Werbejahr aus alltägliche Geschichten und Situationen. Klapprige Opas, Glatzköpfe mit Kopfschmerzen oder Büroangestellte sind die Helden, die den Konsumenten nicht einschüchtern, sondern sofort auf ihre Seite ziehen, und mit rülpsenden Babies oder klavierspielenden Hunden kann man in nullkommanix die Herzen der Käufer erobern.

Zum Teil werden die Werbebotschaften immer komplizierter verpackt und oft ist ihre Enträtselung die gelungene Schlußpointe. Aber es gibt auch wieder die einfachen Filmchen, die nur zeigen wollen, wie gut das Produkt ist. Hierbei sind die Demonstrationen jetzt so absurd und phantastisch geworden, daß man auch an Mikrowellenherden, Bügeleisen und Wischtüchern seine Freude haben kann. Ein Wurfpfeil bringt zum Beispiel einen Luftballon nicht zum platzen, wenn beide mit einem japanischen Klebstoff bestrichen sind.

Die Deutschen Werber haben sich bei einem goldenen und sieben weiteren Löwen ganz gut gehalten — mit Autowerbung und den Spots von NDR und ARD. In der ersten Reihe sitzen sie damit aber noch lange nicht. Wilfried Hippen

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