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Orientalische Bühne: "Die arabische Masse wehrt sich natürlich"

Der Mechaniker Jaber Abbas ist Palästinenser und stammt aus der besetzten Westbank, der Hausmeister Ibrahim Mahmud ist Tunesier. Beide arbeiten im selben Bremer Betrieb und leben seit über 20 Jahren in Deutschland. Ihre Namen sind geändert, weil beide Repressionen in Deutschland oder ihren Heimatländern fürchten.

taz: Du bist Palästinenser, und Saddam Hussein sagt, er führe diesen Krieg, um Palästina zu befreien. Was hälst Du davon?

Jaber Abbas: Als Palästinenser hoffen wir natürlich immer, daß wir auch mal unsere Rechte bekommen. Aber um Menschenrechte geht es in diesem Krieg natürlich nicht.

Ibrahim Mahmud: Man darf da ja nicht mit zweierlei Maß messen. Wenn es um Menschenrechte ginge, hätte man sich schon längst für die Palästinenser und für den Libanon engagieren müssen. Auch in Lettland gibt es ja täglich Tote. Da kümmert sich keiner drum.

Jaber Abbas: Vor kurzem war Syrien für die Amerikaner noch der Haupt-Terrorist. Und jetzt auf einmal sind sie Verbündete und Freunde. Der Amerikaner hat seine eigene Taktik.

Ihr setzt keine Hoffnung mehr auf irgendeine Partei in dem Konflikt?

Jaber Abbas: Doch, ich hoffe, daß die UNO sich ganz stark macht für den Frieden. Andere Probleme, die bleiben zehn, zwanzig Jahre ungelöst, und hier wollen die auf einmal in vier Monaten alle Probleme lösen. Wenn das Embargo etwas länger gedauert hätte, dann hätte es auch mehr Verhandlungen gegeben. Die Amerikaner wollen doch nur die Macht des Irak zerstören, damit der Irak nicht die gleiche Stärke hat wie Israel.

Du glaubst nicht, daß es um Kuwait geht?

Jaber Abbas: Bestimmt nicht. Wenn es dort Orangenplantagen statt Öl gäbe, dann hätten sie vielleicht ein paarmal protestiert, und dann hätte sich die Sache gehabt — so wie damals in Afghanistan.

Und die Raketen, die jetzt auf Israel fallen?

Ibrahim Mahmud: Das dürfte auch nicht sein. Es sind ja auch Menschen, die da leben. Ich plädiere für einen sofortigen Waffenstillstand, bevor alles zu spät ist.

Habt Ihr wirklich Hoffnung, daß die UNO das erreicht?

Jaber Abbas: Noch ist der Krieg nicht entschieden. Jetzt könnten beide Seiten noch aufhören, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

Ibrahim Mahmud: Aber die arabische Stärke müßte im Westen genauso akzeptiert werden, wie die anderer Staaten. Das ist die Hauptsache: Alle Völker müßten gleich behandelt werden.

Ihr meint, die arabische Stärke wird nicht akzeptiert?

Jaber Abbas: Natürlich nicht. Man hat die Araber immer unterdrückt.

Ibrahim Mahmud: Die westliche Welt tut sich jetzt zusammen, um in diesem Gebiet unbedingt was zu erreichen. Da wehrt sich die arabische Masse natürlich dagegen. Wir sagen: Nein, wir haben auch eine Kultur und wir verteidigen auch unsere Gebiete. Das ist doch ganz natürlich. Die arabischen Länder hätten das unter sich klären müssen.

Jaber Abbas: Aber jetzt ist es eigentlich schon zu spät. Saddam ist so stark bombardiert, daß er vielleicht sagt: Was habe ich noch zu verlieren, ich muß alles aufs Spiel setzen. Deshalb muß jetzt eine Initiative vom Westen kommen. Vielleicht spielt dafür ja auch die Umwelt eine große Rolle. Wenn Greenpeace erstmal kommt...

Hast Du auch das Gefühl, daß die arabische Kultur in Europa nicht verstanden wird?

Jaber Abbas: Die Araber waren früher mit Kultur und Technologie ja unheimlich auf Zack. Aber dann sind die Araber in Vergessenheit geraten — und jetzt werden auch ihre Rechte nicht mehr akzeptiert. Selbst das Öl ist für die Araber ja fast ohne Bedeutung. Sie haben doch nichts davon. Da gibt es ein paar Milliarden aufs Konto, aber wer arbeitet nachher mit dem Geld? Das sind doch wieder nur die Amerikaner und der Westen. Der Emir von Kuwait hat 180 Milliarden. Was will er damit?

Ibrahim Mahmud: Diese Reichtümer müßten gerecht verteilt werden. Man spricht von Demokratie, und in Kuwait gab es noch niemals Demokratie. Alle Araber, die dort als Nachbarn leben, die führen ein unwürdiges Leben. Man unterstützt nur ein Regime. Das finde ich auch nicht gut.

„Demokratie“ ist doch auch eine westliche und keine arabische Tradition.

Jaber Abbas: Leider. Alle, die bei uns regieren, machen erstmal ihr Konto voll. Aber wir verlangen, daß die Araber sich selber eine Ordnung machen. Die Völker müssen ihre Diktatoren selber abschaffen.

Ibrahim Mahmud: Demokratie und Freiheit werden erkämpft und nicht verschenkt. Es gibt ja tausende undemokratische Länder in Afrika, Lateinamerika usw. Solange die sogenannten westlichen demokratischen Staaten mit diesen Regimen arbeiten und nicht zur Demokratie auffordern, wird es auch nie Demokratie geben.

Die Europäer sollen kommen und in den arabischen Ländern Demokratie schaffen?

Ibrahim Mahmud: In Tunesien haben wir z.B. einen Schritt in Richtung Demokratie gemacht. Bloß jetzt ist die Sache wieder herumgedreht. Jetzt, wo ein arabisches Land angegriffen ist, müssen wir auf unsere Nachbarn Rücksicht nehmen.

Erst kommt die arabische Solidarität, dann die Demokratie?

Jaber Abbas: Nein, es geht ja um die Bevölkerung und nicht um die arabischen Führungen. Der Islam ist doch auch eine demokratische Religion. Die Reichen sollen den Armen geben usw. Aber die Regierenden tun ja nicht, was der Islam verlangt.

Ibrahim Mahmud: Ich lebe ja schon lange in Deutschland. Und von echter Demokratie kann man hier auch nicht so richtig sprechen. Wenn ich die Massen demonstrieren sehe, und dann kommt der Staat und verprügelt sie, dann kannst Du hier auch nicht so leicht Deine Meinung sagen. Das ist hier eine beschränkte Demokratie. Die volle Demokratie gibt es nirgends.

Jaber Abbas: Man sieht ja auch, wie die arabische Minderheit in Amerika, in Frankreich, in England behandelt wird. Vielleicht kommt es auch bald in Deutschland, daß Du als Araber Deine Meinung nicht mehr sagen darfst.

Fragen: Dirk Asendorpf

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