»Das ist hier eine Freßmesse«

■ Die taz hat sich auf der Grünen Messe am Stand des Landes Brandenburg näher umgesehen

Berlin. »Essen aus Deutschland — ein grenzenloses Erlebnis«: In der Halle 20 auf der Grünen Woche präsentieren zehn Altbundesländer zusammen mit den fünf neuen ihre Angebotspalette. Von den Ausstellern aus Brandenburg ist gar mancher enttäuscht. »Wir haben uns hier doch mehr Umsatz erhofft«, erzählt Norbert Brüssow, Chef der Horstfelder Landfleischerei. Er hat von dem Stand des Landes Brandenburg 1,50 Meter (Kostenpunkt: 1.100 Mark für die zehn Tage der Messe) gemietet. In weißem Hemd und roter Weste mit messingfarbenen Knöpfen und Brandenburg-Wappen bietet er in Halle 20 seine Schweinefleischprodukte an.

Das kleinste ist sein Blutwurstring (100 Gramm, 1 Mark). Das größte ein Pfund Lachsschinken für 12,50 Mark. Und wenn Brüssow für seine Landschlachterei südlich von Berlin auch mehr Umsatz erwartet hat, so hat der Chef-Schlachter doch Glück: Dieses Jahr bezahlt die Centrale Marketing GmbH der deutschen Agrarwirtschaft die Standgebühren für alle Aussteller aus den neuen Bundesländern in Halle 20.

»Die Messe soll zeigen, daß wir da sind«, beschreibt Heidemarie Garbe ihre Erwartung an die Grüne Woche. Sie steht sich in der Halle die Füße platt für die »Werder Frucht Erzeugergenossenschaft Havelland«. Die Frau in ihrem trachtenähnlichen Outfit wirbt für Äpfel: Neben den herkömmlichen Sorten Gloster, Idared und Spartan werden im nächstes Jahr im Havelland auch Elster, Jona Gold und Jona Gored geerntet werden, erzählt sie. Die neuen Sorten sehen ansprechender aus und sollen mehr Geschmack haben.

Der Obstbau im Havelland hat sich noch nicht von der friedlichen Revolution im Herbst '89 erholt. »Auch dieses Jahr werden wir von einer Ohnmacht in die andere fallen«, glaubt Garbe. Möglicherweise müsse auch dieses Jahr wieder viel Obst auf den Müll, weil keiner es kaufen wolle.

Wie die Apfelfrau und der Schweineschlachter erzählt auch Frank Geißler, Vorsitzender der LPG »Oderbruch-Gemüse«, daß vor allem Berliner Besucher sich darüber freuen würden, endlich wieder mit Obst und Gemüse aus dem Umland versorgt zu werden. Immer wieder würde er auch gefragt werden, warum es so wenig angeboten werde. »Wir werfen den Kram weg«, antwortet Geißler, »weil die Händler unsere Produkte nicht wollen«. Auf der Messe habe es bereits Gespräche mit Händlern gegeben — aber keine Vertragsabschlüsse. Der LPG-Chef ärgert sich über die Grüne Woche: »Das ist eine Freßmesse mit wenig Fachbesuchern.«

Geißlers Betrieb ist einer von fünf ehemaligen LPGs 25 Kilomter nördlich von Frankfurt/Oder, die untereinander den Boden neu aufgeteilt sowie die Aufgaben anders verteilt und gemeinsam eine Genossenschaft gegründet haben. Von ursprünglich 580 Leuten arbeiten in seinem Betrieb in Gorgast noch 440. Weitere 60 müssen demnächst ihren Hut nehmen.

Wenn auch Helmut Tusche mit Händlern »noch nichts konkretes« vereinbaren konnte, gehört er zu denen, die von der Messe »angenehm überrascht« sind. Besucher seien am Projekt »Ökospeicher« rege interessiert. Der Dachverband will bei Frankfurt an der Oder ökologisch bewußten Menschen und Betrieben aus 12 Dörfern Verdienstmöglichkeiten schaffen. Tusche bietet auf der Messe Kräutertee, der zum Teil wildgewachsen ist, geräucherten Karpfen (100 Gramm, 1,90 Mark) und Lammschinken (100 Gramm, 3 Mark) an. Eine Kollegin verkauft »Buttermilch mit Butterstückchen« (1 Liter, 3,50 Mark). Ab Mai veranstaltet der »Ökospeicher« seine eigene Messe: einen regelmäßigen Markt in einem historischen Speicher in Wulkow. Dirk Wildt