piwik no script img

Der heiße Sessel von Mubarak

Ägyptens Präsident rechtfertigt die antiirakische Parteinahme mit arabischem Verteidigungsabkommen/ Zerstörung Iraks läßt Stimmung zugunsten Husseins umschlagen/ Demonstranten im Sudan fordern Bombardierung des Assuan-Staudammes  ■ Aus Kairo Ivesa Lübben

Die Bürgersteige Kairos, auf denen man sich sonst durch Menschenmassen kämpfen muß, sind angenehm leer. Manch einer der Passanten hält sich ein Transistorradio ans Ohr. In den Kaffeehäusern starren Wasserpfeife rauchende Männer auf den Fernsehapparat. Aus dem Zeitungskiosk und aus dem Schnellimbiß drang am vergangenen Donnerstag — statt wie sonst der Singsang miteinander konkurrierender Koransuren — die Stimme des Präsidenten. Vor den beiden Kammern des ägyptischen Parlaments legt Husni Mubarak, von Radio und Fernsehen direkt übertragen und im 2. Kanal sogar simultan ins Englische übersetzt, sein „Zeugnis vor der Geschichte und der Nation“ ab. Es geht natürlich um die Golfkrise.

Tagebuchähnlich und pedantisch ins Detail gehend, rekonstruiert er die Ereignisse seit dem 2. August und rechtfertigt die Entsendung ägyptischer Truppen an den Golf mit den Verpflichtungen aus dem arabischen Verteidigungsabkommen. Daß zufällig auch am selben Tag die Amerikaner und andere beschlossen hätten, Militär am Golf aufzufahren, würde doch nur beweisen, daß Ägypten auf seiten des Völkerrechts Partei ergreife. Doch Mubarak fährt zweigleisig: Selbstverständlich stehe Ägypten auch fest an der Seite des irakischen Volkes, beschwört er seine Zuhörer. „Der Irak ist genauso wichtig wie Kuwait.“ Aber die von Saddam Hussein geforderte Verbindung zwischen Golfkrise und Palästinakonflikt lehnt er kategorisch ab, ein Manöver, mit dem er die Gefühle der Araber aufwühlt. Die Raketen auf Israel bezeichnet er als „politische Raketen“, die zwar zu Sympathiedemonstrationen in der arabischen Welt geführt hätten, mit denen sich aber kein Krieg gewinnen lasse.

Mubarak sah sich zu der Rechenschaftslegung vor der Nation genötigt, weil nach den Massenbombardements Bagdads, Basras und anderer irakischer Städte die Stimmung in Ägypten — sonst eindeutig auf Anti- Saddam-Kurs — langsam umzuschlagen droht. Viele bangen um Verwandte und Freunde am Golf. Drei Millionen Ägypter leben in den Golfstaaten, davon eine Million im Irak und in Kuwait. Mehr als 20.000 sollen in Iraks Armee dienen.

„Bei vielen Ägyptern haben Saddams Raketen auf Tel Aviv und Haifa eine klammheimliche Freude ausgelöst“, meint der Journalist Hazem. „In all den Nahostkriegen fielen die Bomben immer nur auf arabische Städte und Dörfer. Es sah so aus, als könne Israel allein das Schicksal der ganzen Region bestimmen. Zum ersten Mal fühlen die Ägypter, daß auch Israel verletzbar ist.“ Um Studentendemonstrationen vorzubeugen, hat das Erziehungsministerium die Semesterferien um zwei Wochen bis zum 9. Februar verlängert.

„Es wird Zeit, daß die ägyptische Regierung deutlich sagt: Beteiligen wir uns eigentlich an einem Krieg zur Befreiung Kuwaits oder zur Zerstörung Iraks?“, fragt die Parlamentsabgeordnete Mona Bakram Abid in der Oppositionszeitung 'Al-Ahali‘.

Die meisten hatten von der historischen Rede ihres Präsidenten eine ägyptische Initiative erwartet, um dem Blutvergießen am Golf Einhalt zu gebieten. Sie wurden enttäuscht. Kein Wort über die diplomatischen Bemühungen der Maghreb-Länder oder der Blockfreien-Bewegung. Zwar wolle „Ägypten nach dem Ende dieser Tragödie wirklich nichts als Frieden“, und es sei bereit, „sich bei den anderen am Konflikt beteiligten Parteien für eine Lösung des Golfkonfliktes in einem arabischen Rahmen einzusetzen“, meinte Präsident Mubarak. Allerdings müsse sich der Irak erst einmal bedingungslos aus Kuwait zurückziehen, so daß die Familie Sabah wieder ihren Thron besteigen kann. Ohne diese Voraussetzung sei die internationale Staatengemeinschaft nicht von einem Waffenstillstand zu überzeugen. Mit anderen Worten: The war must go on.

Manch einer in Kairo befürchtet, Ägypten könnte sich mit dieser unnachgiebigen Position zunehmend im arabischen Lager isolieren. Algerien und Tunesien haben inzwischen die Visumpflicht für Ägypter eingeführt. Das Lob des jemenitischen Präsidenten Ali Abdallah Salah auf die Standhaftigkeit Iraks, der nicht wie andere Staaten während des Sechstagekrieges 1967 nach wenigen Tagen klein beigeben würde (gemeint sind Ägypten und Syrien), hat zu diplomatischen Verstimmungen zwischen Kairo und Sanaa geführt.

Die Beziehungen zum Sudan sind nach antiägyptischen Ausschreitungen am letzten Sonntag auf dem Tiefpunkt angelangt. Auf einer Demonstration wurden ägyptische Fahnen verbrannt und die Bombardierung des Assuan-Staudamms gefordert — eine offene Kriegserklärung an Ägypten. Der Assuan-Staudamm in Oberägypten ist der neuralgische Punkt Ägyptens. Die bei einem Dammbruch entstehende Flutwelle würde das ganze Niltal mitreißen. Von Ägypten bliebe nichts übrig.

„Ich werde keine Aggression auf nur einem Quadratmeter ägyptischen Bodens zulassen. Sudan wird einen hohen Preis für jede Aggression gegen Ägypten zahlen müssen“, lautete die äußerst scharfe Reaktion Husni Mubaraks. Die ägyptische Regierung unterstellt der von moslemischen Kräften getragenen und eng mit dem Irak verbündeten Regierung Sudans, die Demonstrationen initiiert zu haben. Die ägyptische Seite schloß inzwischen die Außenstelle der Cairo University und das Büro von Egypt Air in Khartum und setzte kurzfristig die im Sudan geplante ägyptische Buchmesse ab. Innenminister Abdel Salim Musa gab an, daß seit Beginn der Golfkrise 500 Sudanesen aus Ägypten ausgewiesen wurden, weil sie die „Stabilität und Sicherheit“ des Landes bedrohten.

Und ob die Syrer verläßliche Partner im Bündnis Kairo—Damaskus——Riad sind, sei auch dahingestellt. Saddam Hussein hätte den iranischen Präsidenten Rafsandschani gebeten, zwischen Irak und Syrien zu vermitteln. Syrien solle wenigstens eine neutrale Position im Golfkonflikt einnehmen, weiß die ägyptische 'Wafd‘ vom 24. Januar zu berichten. Die Mehrheit der syrischen Bevölkerung steht ohnehin hinter Saddam Hussein.

Die ägyptische Opposition hat inzwischen die Hoffnung auf eine unabhängige Initiative ihrer Regierung verloren und will selber aktiv werden. Trotz vorhandener Differenzen über die Rolle der ägyptischen Truppen am Golf beschlossen die Parteiführer der Oppositionsparteien, gegen den Angriff auf das irakische Volk zu protestieren; auch wollen sie ihre Aktivitäten mit der Arabischen Liga koordinieren. Das islamische Bündnis und die Nasseristen möchten ihre Soldaten wieder nach Hause holen, während sich die linkssozialistische Partei Tagammu' mit einer Absichtserklärung der Regierung zufriedengeben würde, daß die Ägypter nur zur Verteidigung Saudi- Arabiens am Golf seien.

„Wir fordern die sofortige Beendigung des Krieges und die Suche nach einer friedlichen Lösung der Golfkrise sowie des Palästinaproblems“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen