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Fleisch- und Schopenhauerei

Da quietscht sie aber, die blöde DDR-Ziege, wenn, als Bauchaufschlitzer Dietrich, der Staatsanwalt und Filmkritiker Dietrich Kuhlbrodt mit der Kettensäge hinter ihr her ist. In weiteren Hauptrollen: Alfred Edel, Udo Kier und jede Menge Schlachtabfälle.

Das deutsche Kettensägenmassaker (1990, 63 min.), was ein neues Murks- und Metzelwerk ist von Christoph Schlingensief, stellt sich aus purer Bosheit politisch: am Anfang sehen wir, als Präludium des Blutrausches, Bilder vom historischen Polit-Thrill damals in Berlin, vom großen Vereinigungs-Dingdong. Der Film spricht, per Zwischentitel, von den Massen, die seither rübergemacht haben: „Viele leben unerkannt unter uns. Vier Prozent kamen niemals an.“ Ja freilich, die Metzger haben sie geschnappt, grosz-artige Monstren, Bewohner einer verkommenen Schlachterei, die aus netten Mäd

chen Blutwürste machen.

Hier ist aber Schluß mit Politik. In die Kleinwagen der befreiten Lemminge könnte man alle Doofen der Welt setzen; der Film hebt auch sogleich, mit leicht hysterischen Kamera-Manövern, ab in das Allgemeine des Hauens und Stechens. Da blubbern die Schweinsgekröse, und die Hirngelatine spritzt. Wir sehen, vollführt mit Messern und Hackebeil

das Bild von zwei Menschen

im Fleischerladen

oder so

chen, die letzte romantische Gewalt: sozusagen naturbelassen und ohne jede soziale Chemie. Aber natürlich ist das Massaker dermaßen hyper-greulich, daß es sich in eine Kette übergeschnappter Zeichen verwandelt, in einen permanenten Alarm der Bilder.

Eher als daß er erzählte drillt das Massaker eine noch ungewohnte Filmsprache ein: eine des, sagen wir: brüllenden Wie

herns über alles. (Eine, die sich, wenn es so weitergeht, schnell verbreiten wird.)

Ein netter Film also, nur getrübt von bißchen billigem Sado- Maso-Pessimismus aus der Fleisch- und Schopenhauerei um die Ecke.

Und um zwei Drittel zu lang für eine Geisterbahn.

Manfred Dworschak

Cinema, 23 Uhr

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