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Küstenkrimikrampf

■ „Tote leben länger“, Montag, 28. 1., ZDF, 19.30 Uhr

Die Mehrheit des deutschen Volkes und insbesondere auch die LeserInnen dieses Blattes haben ja so ihre Schwierigkeiten mit dem, was man landläufig als „Galgenhumor“ bezeichnet. Wir Makabarettisten aber freuen uns schon über eine vom Schicksal lancierte Pointe wie die, daß der letzte Film der Helga Feddersen ausgerechnet Tote leben länger heißen mußte — aber an dieser Stelle sollten wir schnell das Thema wechseln; die LeserInnenbriefredaktion hat ohnehin genug zu tun... Ja, Dittmeyer redet wieder um den Brei herum, denn ein Verriß macht nicht in jedem Fall Spaß.

Aber es muß wohl sein, denn Tote leben länger war ein gar zu ödes Ostseeküstenmysterium der quälerischen Art. Ein Psychokrimi sollte es sein, und was bei der literarischen Vorlage von Helga Riedel mittels kunstreicher Sprache womöglich funktioniert haben mag, verunglückte in der Fernsehbearbeitung durch Autorin Eva Maria Mieke mit aber auch schon erhebender Zwanghaftigkeit zum Negativbeispiel für die typische, vor lauter Bedeutung bleischwer gewordene Fernsehspielästhetik. Da mußte die Regisseurin Ines Anna Krämer schon alle Register der künstlichen Verschleierung und Verrätselung ziehen, um den Anschein des Geheimnisvollen zu wahren. Von unidentifizierbaren Gegenlichtschemen über sphärisch überstrahlten, schwülstigen High- Key-Kitsch bis hin zum bedrohlichen Heulen des Küstenwindes reichte der Griff in die Mottenkiste viktorianischer Schauergeschichte.

Nur mit freiwillig angezogener Denkbremse mochte man übersehen, daß das Familienglück der allweil bekümmert oder verträumt dreinblickenden und in die verständnisfreie Weltfremdheit entrückten Hauptfigur Freda auf einem, eigentlich zwei Verbrechen beruhte. Und damit es auch der Dümmste mitbekam, hämmerte man brachialdramaturgisch auch noch ein Déjà-vu-Erlebnis hintendran — ein derart zähes Stück Film, so ein „labskausaler“ Küstenkrimikrampf nimmt einem doch auf Wochen wieder jede Lust auf ein Fernsehspiel aus deutscher Produktion. Herr Dittmeyer

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