Die Zeichnung im Beweis

■ Gerhard Faulhaber in der Galerie Zwinger

Nichtfigurative Zeichner haben es ebenso schwer, wahrgenommen zu werden, wie Dichter. Interessierte Leser finden beide fast nur in Kollegen. Das gibt ihnen die Feiheit, rücksichtslos nuanciert und weiträumig das zu tun, was sie für triftig halten. Zeichnungen sind unspektakulär, erfordern den aufmerksamen Nahblick, entsprechen den heutigen Sehgewohnheiten nicht und sperren sich gegen rasches Erfassen. Nichtfigurative Zeichnungen erschließen sich nur einzelnen, die in einer Galerie im Stehen lesen und Halsstarre in Kauf nehmen.

Nun ist aber Gerhard Faulhaber kein retrospektiver Eigenbrötler, sonder prospektiv ganz auf der Höhe der Zeit und mit den städtischen Sehgewohnheiten vertraut. Entsprechend präsentiert er diese vielleicht älteste Kunst mit verblüffend schlüssigem Konzept. Er reihte nicht einfach Rahmen aneinander (nach dem beliebten Motto: arranged to be seen and sold), sondern konzipierte in den schwierigen, kaminartigen Räumen der Galerie Zwinger eine konsistente Ausstellung. Sie macht seine Verfahrensweise transparent und gibt sich als Verhaltensweise zu erkennen.

Fauhlhaber stellt drei rhetorische Figuren des Graphischen vor und macht die Zeichnung zu einem objektivierbaren Arbeitsfeld, das verschiedenen Versuchsanordnungen entspricht. Dispositiv I: Fauhlhaber scheint mit dem Stift in der Hand einer nervösen Mücke gefolgt zu sein. Die Spuren der Jagd blieben auf dem Papier: ein Gewebe ohne Zentrum und klassisches all-over (siehe Bild). Dabei geht es um die Form als Prozess in seiner bloßen visuellen Wirkung. Nicht, was die Linie abbildet, ist wichtig, sondern die Linie selbst als Bewegung.

Dispositiv II: Eher expressive Zeichnungen; aggressive Nachdrücklichkeit an manchen Stellen, an anderen leicht, wie darübergehuschter, gerade noch sichtbarer Kohleabdruck. Viele weiße Stellen. Insgesamt blind gezeichnet, um danach zu sehen, was die Hand als Seismograph machte. Diese Zeichnungen sind der Abdruck von Emotionen. Dispositiv III: Eher dekorative Bilder. Monochromer Anstrich in Orange-Nuancen; darauf ein stilisierter, schablonisierter Klecks in Grau-Anthrazit. Klar und schick und tot. Abzugbilder einer Formidee; starr gewordener Gedanke wie ein Ornament und insofern interessant.

Sie gewinnen ihre Kraft in der Wiederholung. Die Zeichung gilt als intimstes Medium innerhalb der bildenden Kunst, als der kürzeste Weg von der Einbildungskraft und dem Körper zum Werk. Und sie gilt als authentisch. Wenn das Authentische aber eine rhetorische Figur geworden ist, hört die Unmittelbarkeit auf und flutscht in eine andere Logik, die in den 80ern mit dem Begriff Simulation durch jede Kunstkritik genudelt worden ist. Anzunehmen, daß genau dies das Problem von Faulhaber ist.

Daher stellt er Zeichnung als Handwerk in klar umrissenen Rahmenbedingungen vor und sucht, wie die Linie selbst Ereignis wird; wie innere Regungen sich visualisieren; wie ein prägnante Formidee, die als einzelne tot erscheint, durch Wiederholung Leben gewinnt.

Dennoch ist zu fürchten, daß diese Arbeiten als Nebeneffekt der Institution Zwinger betrachtet werden. Diese sammlerfreundlichen Formate könnten leicht ins Abseits der Revival-Kunst gestellt werden. Zu Unrecht.

Diese Ausstellung schielt nirgendwohin, läuft nicht im Schatten einer kurrenten Theorie; sie hat den Hang zum Klassischen. Der Hang scheint die Neigung vieler Trendsetter zu bestätigen, die wie Roland Barthes souverän genug geworden sind, zu sagen: »Plötzlich ist es mir gleichgültig geworden, modern zu sein«. Daß sich dies gerade in einem Medium zeigt, das seit je an Subjektivität gebunden ist, spricht für sich selbst — vor allem deshalb, weil Faulhaber das Subjektive als objektives Problem darstellt und mit seiner Ausstellung eine Art Grundlegung seiner Vorgehensweise überprüfbar darlegt: er weiß die Schönheit zu grüßen. Peter Herbstreuth

bis 16.2. in der Dresdner Str. 125, Di-Fr 15-19, Sa 11-14 Uhr