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Vom Menschen zum Autofahrer

■ Seit gestern hat die menschliche Stammesgeschichte einen neuen Höhepunkt

“Herzlichen Glückwunsch“ sagte der Fahrlehrer im Mai letzten Jahres, „Sie werden einen Führerschein bekommen“.

Erst konnte ich es gar nicht fassen. Ich hatte es doch immer nur mit Straßenbahn und Fahrrad gemacht, und jetzt sollte ich plötzlich Autofahrer werden? Auch meine Freundin war überrascht.

Dann die quälenden Fragen. War es dafür nicht viel zu früh?

Er lächelt: „Alles normal!“

Würde das Geld reichen? War ich beruflich so weit? Ratschläge von Bekannten beruhigten uns: „Der Schein ist das schwierigste, der Rest wird sich ergeben.“ Schließlich gewöhnten wir uns an den Gedanken. Ein Führerschein, ein Führerschein!

Ich kaufte sofort alle möglichen Bücher und Fragebögen, um mich möglichst gut vorzubereiten. Schon in der vierten Fahrstunde kam es zu den ersten Komplikationen: Ein Trecker auf der Kornstraße droht das natürliche Wachstum der Geschwindigkeit zu behindern, ich werde zum ersten Überholmanöver gezwungen. Schweiß auf der Stirn, Herzklopfen, muß ich mir Sorgen machen? Der Fahrlehrer lächelt: „Alles ganz normal.“

Ich spüre Werden des Scheins, spüre das Glück der wundersamen Geldzerteilung direkt in meiner Brieftasche. Uns ist das egal, solange nur alle gesund bleiben. Der Führerschein scheint sich normal zu entwickeln, bereits im dritten Monat nach der Anmeldung sind alle Grundfähigkeiten entwickelt: Lenken, Bremsen, Kuppeln, Gasen.

Dann bilden sich die Feinheiten. Im vierten Monat kann ich durch den Rückspiegel deutlich eine Parklücke erkennen. Meine Freundin freut sich mit mir. Es wird! Zwischendurch noch einmal Sorgen. „Werden es Zwillinge?“ Nein, nur Klasse drei, einer reicht ja auch wohl, oder?

Vom fünften Monat an täglich zur Autofahrer-Gymnastik. Ich fühle deutlich, wie ich mit der Sicherheitsschnur mit meinem Fahrersitz verbunden bin. Im siebten Monat fühle ich mich theoretisch bereits soweit. Doch Doktor TÜV winkt ab: „Die Straßenverkehrsordnung ist bei Ihnen noch nicht richtig entwickelt. Kommen Sie noch einmal wieder.“

Enttäuschung, der ganze Streß geht von vorne los. Bei der zweiten Untersuchung beim TÜV- Doktor läuft dann alles prima, STVO voll entwickelt. Es geht auf den Endspurt zu!

Nun ist es so weit. Ich werde meinen Führerschein im Auto bekommen! Der Termin steht fest. Als es soweit ist, kümmern sich zwei Menschen nur um mich. Eine komplizierte Geburt! Gleich zu Beginn der Verkehrswehen Schwierigkeiten beim Einfädeln! Das Auto liegt nicht in der richtigen Spur! Doch dann geht alles glatt. 1.800 Mark wiegt der kleine Kerl, den ich glücklich in meinen Händen halte. Mad McLauda.

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