Der Bund greift jetzt nach den Berliner Jungs

■ Heute beginnt Wehrerfassung mit dem Jahrgang 1972/ Fragebogen ingnorieren: »Ohne Daten keine Soldaten«

Berlin. Erstmals seit dem Fall des entmilitarisierten Status im Oktober 1990 beginnt das Landeseinwohneramt heute mit der Erfassung von Wehrpflichtigen. Wie der Innensenat gestern mitteilte, werden zunächst die rund 7.750 jungen Männer des Jahrgangs 1972 nacherfaßt. Sie erhalten eine Broschüre über die Wehrpflicht und einen Fragebogen, der binnen fünf Tagen zurückgeschickt werden muß. Dem Fragebogen zur Überprüfung der persönlichen Daten liegt auch ein Werbeprospekt des Bundesgrenzschutzes bei. Nicht betroffen sind diejenigen, die bis Dezember im Ostteil gewohnt haben und bereits nach Vorschrift der Ex-DDR erfaßt wurden.

Die Senatsinnenverwaltung wies darauf hin, daß seit der Vereinigung beider deutschen Staaten auch in Berlin das bundesdeutsche Wehrrecht gelte. Die Erfassung bedeute noch keine Einberufung oder Ankündigung der Einberufung. Dies ist nach Angaben des Kreiswehrersatzamtes frühestens in der zweiten Jahreshälfte möglich. Mit der Musterung der Jahrgänge 1972/1971 wird dort »noch in der ersten Jahreshälfte« gerechnet. Es gebe Zeitverzögerungen, weil es in Berlin noch keine Musterungsausschüsse gebe, für die aber genügend Ärzte zur Verfügung ständen.

Der Jahrgang 1973 ist wie im übrigen Bundesgebiet zum 1. Juli an der Reihe. Im Herbst wird der Jahrgang 1971 nacherfaßt. Im nächsten Jahr sind die 1974 Geborenen sowie nachträglich die Jahrgänge 1970/1969 dran. Ob auch ältere nacherfaßt würden, sei noch nicht geklärt, hieß es.

Die »Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär« rief die Betroffenen angesichts eines möglichen Einsatzes der Bundeswehr im Golfkrieg auf, die Erfassung zu verweigern: »Ohne Daten keine Soldaten.« Das sei zwar nur ein symbolischer Akt, weil die Meldestellen die Datensätze in jedem Fall an die Wehrersatzämter weitergegeben werden, diene aber »der Sensibilisierung der Bevölkerung«. Die Kampagne kritisierte, daß die erste Erfassung im Westteil der Stadt seit dem Zweiten Weltkrieg »inmitten des Krieges und tumber Äußerungen zur Beteiligung deutscher Truppen« erfolge.

Die Berliner Kreiswehrersatzämter befinden sich in Pankow, Pestalozzistraße 30-33 und Niederschöneweide, Oberspreestraße 61-63. Fragen zur Zuständigkeit für die einzelnen Bezirke beantwortet das Landeseinwohneramt, Friedrichstraße 219, Berlin 61. ap/taz