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Nie wieder Selbstmord-betr.: "Kein Guru und kein Rabbi" von Eckehardt Krippendorff, taz vom 19.1.91

betr.: „Kein Guru und kein Rabbi“ von Eckehardt Krippendorf, taz vom 19.1.91

[...] Ich bin der Meinung, daß eine gut recherchierte Antwort (mit dem Hinweis auf die verwendete Literatur) eher angebracht gewesen wäre als ein unüberlegter und mindestens dreimal in sich widersprüchlicher Ausguß von quasireligiösem Gedankengut.

1.Keiner behauptet, daß Martin Buber ein Rabbi war. Was seinen „Sozialismus“ oder „Anarchismus“ betrifft, irrt Herr Krippendorff sich gewaltig: Wenn er sich mit Bubers Arbeiten beschäftigt hätte, wüßte er, daß dieser zu einem Mystizismus neigte, der auf dem osteuropäischen Judentum basierte, das heißt auf dem Chassidismus.

Für Buber war die Bedrohung durch die Deutschen kein intellektuelles Spiel. Gandhi aber konnte sich den Luxus leisten, „vom sicheren Port aus gemächlich zu raten“. An ihm war es darum, einen realistischen Ausweg für die Juden vorzuschlagen.

2.Bleiben wir bei Krippendorffs spekulativem Denkmuster. Er fragt, „ob das Regime nicht an einem solchen massiven passiven Widerstand zerbrochen wäre“, indem er dem deutschen militärischen Widerstand einen Rückhalt gegeben hätte. Aber gab es überhaupt ein solches Phänomen? Sicherlich meint Herr Krippendorff nicht die Generäle des 20.Juli! Wenn aber irgendein anderer deutscher militärischer Widerstand gemeint war, hätte ich gern einen Hinweis auf historische Quellen.

Die Logik erlaubt uns, noch einen Schritt weiterzugehen: Die „jüdische Passivität“ war schuld, daß der „deutsche militärische Widerstand“ bei den Deutschen keinen Nährboden gefunden hat. Die Deutschen haben den Juden zwar verziehen, was sie ihnen angetan haben. Aber daß die Juden zu ihrem Widerstand keinen Beitrag geleistet haben, scheint immer noch unverzeihlich zu sein.

3.Der Grund, warum die israelischen Soldaten in Masada vereidigt werden, ist im folgenden Satz angedeutet: „Mazada lo tipol shenit“ — auf deutsch: Masada darf nie wieder fallen! Das heißt: Nie wieder Selbstmord. Masada ist für die Israelis eine Warnung, daß die Tragödie, die 73 unserer Zeitrechnung 600 Menschenleben forderte, sich nie wiederholen darf. Dafür sollen die Soldaten, die dort vereidigt werden, sorgen. Wenn Krippendorff diese Aufgabe als „Masada-Komplex“ bezeichnet, dann muß er zugeben, daß es ein gesunder Komplex ist. Er heißt: Kein Massenselbstmord mehr und kein Märtyrertum. Moshé Joseph, Hamburg

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