: Spätlese
■ Hermann Läufer u.a.: Der Spaß ist ein Meister aus Deutschland...
Hermann Läufer u.a.: Der Spaß ist ein Meister aus Deutschland. Geschichten der guten Laune 1933-1990. Scherrer & Schmidt Verlag, 130 S., 24 DM
„Lachen“, so heißt die Ausgangsthese der Autoren, „gilt als politikfern, ein Thema für Anthropologen und Verhaltensforscher. Man hält es für unverdächtig, überhistorisch. Daß das Lachen in Deutschland Geschichte gemacht hat, wollen wir zeigen.“
Die Autoren verstehen dieses Buch als den Beginn eines größeren Projekts, und mehr ist es leider auch nicht geworden. Die Ausgangsthese selbst ist bereits des Kalküls verdächtig, denn, wer nicht auch nur einmal über einen Ossi- oder Türkenwitz gelacht hat, kennt nicht das Phänomen des schuldbewußten Lachens. Der blitzartig auflachenden und wieder verdrängten Erkenntnis, daß dieses Lachen freudianisch eine „Abfuhr“ von Regungen ausdrückt, die man sich sonst nicht gestattet? Wer hat nicht schon über den deutschen Karneval, die organisierte Fröhlichkeit gestöhnt (und heimlich oder laut frohlockt, daß uns der diesjährige Ausfall derselben allesamt zu Kriegsgewinnlern macht)? Daß der Humor die Kehrseite des Bewußtseins zeigt und insofern „Geschichte“ hat und, wenn es denn sein muß, „macht“, ist eine allzu leichte Erkenntnis, als daß es sich lohnen würde, sich daran „abzuarbeiten“. Die Autoren illustrieren die Tatsache, daß die Nationalsozialisten die Vergnügungsindustrie zu einem Hauptpfeiler ihres Machtgebäudes machten, mit Sorgfalt; dieser Teil ist überhaupt der beste, weil genaueste, des Buches. Der Minister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels: „Die gute Laune ist ein Kriegsartikel. Unter Umständen kann sie nicht nur kriegswichtig, sondern auch kriegsentscheidend sein. Es ist deshalb nötig, ihr besondere Beachtung und Pflege angedeihen zu lassen.“ — „Lachen lernen“ wird zum Auftrag der neuen Volkserziehung. Hitlers Weisung an den Kraft-durch-Freude-Organisator Dr.Ley: „Sorgen Sie mir dafür, daß das deutsche Volk wieder lachen lernt.“
Wer lachen darf, hat die Macht, immerhin für eine Pointe lang. Die Autoren sind bei ihren Erwägungen, die mit guten Zitaten gespickt sind, sehr allgemein geblieben. Freuds genaue Interpretation einer einzelnen Pointe hat gezeigt, wieviel ein Witz hergibt, wenn man ihn ernst nimmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen