: „Anlaß zu Kollektivscham“
Bundestagsdebatte: Norbert Gansel (SPD) fordert einen Regierungsbericht über Unternehmen und Personen, die den Irak aufgerüstet haben ■ Von Ferdos Forudastan
Bonn (taz) — Was weiß die Bundesregierung über die deutsche Verantwortung dafür, daß der Irak den Golfkrieg überhaupt führen kann? In einem schriftlichen Bericht soll Bonn offenlegen, welche deutschen Unternehmen, und/oder welche deutschen Staatsangehörigen es dem Irak seit Beginn des irakisch-iranischen Krieges ermöglichten, seine militärische Rüstung zu entwickeln und auszubauen. Die Sozialdemokraten brachten einen entsprechenden Antrag während der gestrigen Bundestagssitzung ein und verlangt Antwort bis zum 28. Februar. Je nachdem, wie dieser Bericht ausfällt, erwägt die SPD, einen Untersuchungsausschuß zu illegalen Rüstungsexporten einsetzen zu lassen.
Norbert Gansel, außenpolitischer Sprecher der Sozialdemokraten im Bundestag, fand scharfe Worte für die Regierung Kohl: Sie habe bei der Verfolgung des illegalen Waffenexportes versagt. Bereits seit dem ersten Giftgaseinsatz gegen den Iran 1984 habe sie Hinweise auf die Beteiligung Deutscher an der Giftgasproduktion im Irak besessen. „Anlaß zu deutscher Kollektivscham“ sei, so kommentierte Gansel, wie Deutsche sich daran beteiligt haben, den Irak aufzurüsten. Nach Libyen sei der Irak ein Fall von Wiederholung und Wiederholungstätern in der Bundesregierung. Allerdings: Der Sozialdemokrat bekannte, daß sich die SPD in ihrer Regierungszeit mitverantwortlich für die Rüstungsexporte gemacht hatte.
Daß jene es schwer haben werden, die dem deutschen Rüstungsexport parlamentarisch beikommen wollen, deutete sich schon gestern an: CDU/ CSU-Fraktionsvorsitzender Dregger hob vor allem darauf ab, daß nicht die Deutschen allein geliefert hätten und zu bestrafen seien. Außenminister Genscher sprach besonders engagiert nur von der „notwendigen gesellschaftlichen Ächtung“ des Exports.
Recht ungeschoren ließ der Deutsche Bundestag gestern die Regierung Kohl für ihre aktuelle Rolle im Golfkrieg. SPD-Chef Vogel, der auf die Regierungserklärung des Kanzlers vom Mittwoch antwortete, kritisierte Kohl kaum dafür, daß dieser sich nicht wirklich für politische Lösungen des Golfkonfliktes eingesetzt hatte. Höflich mahnte er an, das Parlament zu fragen wenn es darum gehen sollte, den Nato-Bündnisfall festzustellen. „Politisch falsch, eher ... gefährlich“, meinte er dazu, daß die Bundesregierung deutsche Soldaten in die Türkei geschickt hat. Indirekt knüpfte Vogel die Forderung der SPD nach einem Waffenstillstand und einer entsprechenden UN- Initiative an den Rückzug Saddam Husseins aus Kuwait. Zwar lehnte der SPD-Chef „die Erhebung einer Kriegssteuer oder die Einführung eines Umlage- oder Abrufverfahrens“ ab. Daß die Bundesregierung den Krieg massiv mitfinanziert, kritisierte er nicht.
Deutliche Worte hingegen gab es von dem PDS-Abgeordneten Hans Modrow. Obwohl absehbar sei, daß die USA den Bündnisfall selbst herbeiführen wollte, ließe sich die Bundesregierung dahin ziehen und finanzierten diesen Krieg. Unter anderem forderte er, die deutschen Soldaten zurückzuholen und jede Unterstützung einzustellen. Vor allem einen Waffenstillstand forderte Werner Schulz von der Fraktion Bündnis 90/Grüne. „Die Hatz auf den Diktator ist es nicht wert, daß Menschen vernichtet..., die Umwelt zerstört wird.“ Überdies, so Schulz, müßten Steuern für friedliche Mittel gebunden werden.
Uneingeschränkt stimmten die Koalitionsfraktionen der Golfkrieg- Politik des Kanzlers zu. Vom neuen FDP-Fraktionsvorsitzenden Hermann-Otto Solms etwa, gab es nur solcherlei zum Krieg: Deutschland müßte als vollwertiges Mitglied der Völkergemeinschaft agieren; wie die SPD sich in dieser Frage verhalte, sei kein „Zeichen von Regierungsfähigkeit“. Alfred Dregger, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU war voll des Lobes für die Bundesregierung — und voll der Polemik gegen die Friedensbewegung: „Wer in dieser Situation in den Ruf „Kein Blut für Öl einstimmt, der verdunkelt die Wahrheit und besorgt — ob gewollt oder ungewollt — das Geschaäft des Aggressors.“
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