Schöner leben
: Geraschel im Hinterland

■ Über das Theater in der Etappe

Ein Gespenst geht um im Theater und weht durch die Kulisserie: 's ist ein Schnitter, heißt der Krieg. Das Goethetheater trägt Trauerflor, Schauspieler sprechen besinnliche Texte in den lauen Weltabendwind, Was-Tun-Debatten finden statt, und die Aufregung ist enorm. Es gibt genügend schlechte Gründe dafür.

Jetzt auf einmal, erstens, will es sich aufraffen, das Theater. Und auch mittun. Weil es wieder einmal zu spät ist, doppelt laut. Als wäre ein Krieg das sensationell ganz andere. Dabei war doch Fast-Krieg immer. Wir aber haben seit Jahren statt einem Theater einen Feierabendhort, halb Quatschbude, halb frühalte Diskursanstalt. Friedensmatineen fehlten noch.

Zweitens: Jeder Krieg, besonders anderswo, verhilft unsereinem, homo communis, zu einer zeitweilig gesteigerten, adrenalinbefeuerten Existenz, Angst und Sorgen inklusive. Dafür kann niemand, aber man muß es wissen. Wenn im Wald der Fuchs umgeht, flattern die Hühner im Stall. Sie schlemmen an fernen Abenteuern. Das Theater sollte jetzt nachdenken. Vielleicht wird es ja doch einmal wirklich gebraucht. Eine rührende Ahnung davon ist in allem Holperdiepolter.

Was soll man jetzt tun? Allerlei Vorschläge werden erörtert. Das Theater öffnen und wissenswerte Filme zeigen und sonst Aufklärung tätigen? Ausgerechnet! Kameramann, geh du voran! Wär noch schöner. Und Räume gibt es auch anderswo. Was sonst? Deserteure beherbergen? Wär's nicht eine etwas weihwässrige Wohltätigkeit, geeignet zur Selbstbeschwengelung? Was dann? Auf die Straße gehen zum Demonstrieren? Aber dann ist das Theater keines mehr. Und das Halten von Transparenten macht es auch nachträglich nicht politisch.

Ein solches Theater der politischen Aufregungen aber brauchen wir, das ist alles. Solange sich Denken lohnt, haben wir keine Besinnung und kein Gejammer nötig, sondern das Gegenteil: die hellste Theaterkunst, eine klare, eine feuerverzinkte, eine dreifach gehärtete Theaterkunst, an der wir friedliebende Gedanken wetzen können wie Messer. Manfred Dworschak