: Gegen eine Fiktion aus dem Geschichtsbuch
Chef von Antenne Brandenburg: „Wir müssen Landesbewußtsein schaffen“/ Nach der Wende waren die Brandenburger Vorreiter der Regionalisierung im Hörfunkbereich/ Das Fernsehstudio des Landessenders Brandenburg befindet sich im Aufbau ■ Von Hannes Bahrmann
Berlin. Brandenburg ist ein Land, das seine Identität erst finden muß. Vor allem gilt es, die einst erdrückende Dominanz Berlins abzuschütteln. Um so mutiger ist daher das Bekenntnis der brandenburgischen Politik, in der Rundfunkfrage mit der Hauptstadt zusammenzugehen. Eine Mehrländeranstalt mit Berlin-Brandenburg als Kern gilt seit Monaten als ausgemacht. In der Vereinbarung der „Ampelkoalition“ aus SPD, FDP und Bündnis 90 steht unter Punkt 7, die brandenburgische Landesregierung von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) strebe „für die Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens die Zusammenarbeit mit Berlin und anderen Bundesländern an“. Dies stand von Anbeginn fest. Insofern wurde die Ankündigung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Birthler vom Dezember, Brandenburg wolle eine eigene Landesrundfunkanstalt bilden, recht schnell als ein Versuch gewertet, die Verhandlungsposition gegenüber Berlin aufzuwerten.
Die Voraussetzungen in Hörfunk und Fernsehen sind nicht so, daß eigene Vorstellungen realistischerweise durchsetzbar wären. Im Hörfunkbereich strahlt Antenne Brandenburg aus dem alten Funkhaus in Potsdam seit dem 6. Mai 1990 als erster Landessender ein eigenes Programm aus. Gestartet wurde es zunächst von 28 Mitarbeitern in Potsdam, ebenso vielen im Studio Cottbus und halb so vielen im Studio Frankfurt/Oder. Die vordringlichste Aufgabe umschrieb der damalige Chef von Antenne Brandenburg, Dieter Schneider, so: „Wir müssen Landesbewußtsein schaffen, denn für unsere Generation ist das Land Brandenburg eine Fiktion aus der Geschichte.“ 45 Jahre versorgte der Sender Potsdam seine Hörer mit Regionalnachrichten, sechs Jahre davon als Landessender. Doch 1952 beschloß die SED die Abschaffung der Länderstrukturen und die Einführung der Bezirke. Der Sender Potsdam wurde dem Berliner Rundfunk unterstellt und 1971 von Radio DDR übernommen. Nach der Wende waren die Brandenburger Vorreiter der Regionalisierung im Hörfunkbereich. In Brandenburg sind neben dem Landessender noch die zentralen Hörfunkprogramme von Radio Aktuell (früher Radio DDR), Deutschlandsender DS-Kultur (früher Stimme der DDR), Berliner Rundfunk und dem Jugendradio DT 64 aus dem Funkhaus Berlin sowie in großen Teilen die Programme des Senders Freies Berlin und des RIAS zu empfangen.
In Potsdam befindet sich das Fernsehstudio des Landessenders Brandenburg derzeit noch im Aufbau. Hier arbeiten 100 Mitarbeiter und Studiotechniker. Im März 1990 begann man noch aus den Studios in Berlin-Adlershof, gemeinsam mit den anderen Landessendern abwechselnd im Wochenrhythmus eine 60-Minuten-Sendung über das Land auszustrahlen. Seit dem 2. Dezember wird ein 45minütiges Regionalprogramm täglich außer samstags gesendet und damit die Anpassung an das Vorabendprogramm der ARD hergestellt. In Frankfurt/Oder und in Cottbus entstehen weitere Produktionsbüros des Landessenders. Auf Brandenburg mit einer Bevölkerung von 2,6 Millionen Einwohnern (Stand Juni 1990) entfallen 16,6 Prozent der Rundfunkgebühren des gesamten Beitrittsgebietes. Bei 1.080.000 gebührenpflichtigen Rundfunkteilnehmern und einem kaum kalkulierbaren Anteil von Gebührenbefreiungen sowie Verweigerern bleibt die einzige Option der Zusammenschluß mit anderen in einer Mehrländeranstalt. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen