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Dissens in 'Dissent‘

■ New Yorks progressive jüdische Intelligenz setzt auf die Zeit danach/ Gegen Bush und für den Krieg

New York (taz) — 'Dissent‘, das Magazin der kritischen — und meist jüdischen — Intelligenz, macht seinem Namen im Augenblick alle Ehre. Hier und in den anderen Publikationen wie 'Tikkun‘ oder der 'New Jewish Agenda‘ streiten die progressiven Juden Amerikas seit Monaten über ihre Positionen zum Golfkonflikt. Für die rechten Juden, die ihre Meinung im Magazin 'Commentary‘ oder auf den Seiten der 'New York Times‘ ausdrücken, ist die Sache eindeutig. Diejenigen, die der Bush-Administration in der Vergangenheit eine allzu kritische Haltung gegenüber Israel vorgeworfen hatten, stehen nun wie ein Mann hinter dem „gerechten Krieg“ des US-Oberbefehlshabers George Bush gegen Saddam Hussein; einige sogar noch vor ihm.

Doch auch fast alle jüdischen Demokraten haben im Golfkonflikt die Partei gewechselt. Nur einige unabhängige Linke hielten ihre Linie der Fortsetzung eines Wirtschaftsembargos noch bis zum Kriegsausbruch durch. Seitdem jedoch die ersten Scud-Raketen in Tel Aviv und Haifa gelandet sind, tritt die große Mehrheit der linken jüdischen Intelligenzija für ein militärisches Vorgehen gegen den Irak ein. Ihr von Gewissenskonflikten gezeichneter Weg zur Befürwortung kriegerischer Gewalt ist dabei allerdings sehr unterschiedlich.

Den ersten Höhepunkt der Debatte in der jüdischen Linken brachte ein Aufsatz des 'Tikkun‘- Redakteurs Michael Lerner Ende letzten Jahres, in dem dieser ein ausdrückliches „linkage“ („Verbindung“) zwischen einer militärischen Zerstörung des irakischen Massenvernichtungspotentials und einer politischen Lösung der Palästinenserfrage vorschlug. Seit Kriegsbeginn hat Lerner diese innerhalb und außerhalb 'Tikkun‘ damals sehr umstrittene Position wieder etwas abgewandelt. „Ich glaube zwar, daß ein gerechter Krieg gegen den Irak zu einem bestimmten Zeitpunkt geführt werden könnte, der gegenwärtige Krieg des George Bush ist jedoch kein solcher Krieg.“ Mit dieser Einstellung ist Lerner heute auf den Antikriegsdemonstrationen in San Francisco zu finden.

Paul Berman, Autor von 'Dissent‘ und der New Yorker 'Village Voice‘, ist den umgekehrten Weg gegangen. Bis Anfang Januar war er noch ein Verfechter der Sanktionspolitik. Doch neben den Scud- Raketen hat ihn seitdem vor allem ein Argument von der Notwendigkeit dieses Krieges überzeugt: „Selbst bei einem Erfolg der Sanktionen hätte sich Saddam jederzeit mit einem Angriff auf Israel aus seinen Schwierigkeiten herausbomben können“, so Berman der taz gegenüber. Was die Kriegskoalition angeht, äußert Berman genau die Vorwürfe, die gerade unter progressiven Juden in den USA immer wieder zu hören sind: Die Deutschen sind längst nicht so verläßliche Partner, wie man sich das wünschen würde; die Grünen haben in dieser Hinsicht einen besonders schlechten Ruf.

Für Mitch Cohen, Nahost-Dozent und Mitherausgeber von 'Dissent‘ war die Sache dagegen von Anfang an klar: Eine Analyse des irakischen Regimes beweise, so Cohen im Gespräch, „daß Sanktionen nie eine Chance hatten“.

Eine der ganz wenigen, die den Krieg bis heute nicht als Ultima ratio zum Schutze Israels akzeptiert haben, ist Joanne Barkin, die in der letzten 'Dissent‘-Ausgabe einen abweichenden Kommentar verfaßte. „Wir müssen zu diesem Krieg eine Position entwickeln“, so sagt sie etwas vage und hilflos, „die der Bush-Administration nicht wehrlos das Schlachtfeld überläßt“. Doch selbst sie hat bei Antikriegsdemonstrationen Schwierigkeiten mit der dort oft geäußerten Gleichsetzung von George Bush und Saddam Hussein. „Keiner sagt mir, was er denn gegen Saddam zu unternehmen gedenkt.“

Trotz ihrer gespaltenen Loyalitäten und Emotionen über diesen Krieg setzen viele progressive Juden auf die Zeit danach. Ein vorteilhafter Ausgang für Israel, so der immer wieder ausgedrückte Wunsch, könnte den Weg für eine großzügige Lösung der Palästinenserfrage, vielleicht sogar für einen demilitarisierten Palästinenserstaat ebnen. Ein solcher Ausgang, das geben jedoch alle zu, ist angesichts des Verhaltens der Schamir- Regierung nur eine Hoffnung, keine Prognose. Rolf Paasch

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