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Die Greise halten Chinas Wirtschaft weiter fest im Griff

In fünf Sonderzonen im Süden wird ein wenig Markt zugelassen — um ausländische Investoren anzulocken/ Kampf gegen „bürgerliche Liberalisierung“  ■ Aus Peking Tony Wang

Chinas Kommunisten haben für das nächste Jahrzehnt einen vorsichtigen Reformkurs versprochen, zugleich aber deutlich gemacht, daß die Eckpfeiler des „Sozialismus mit chinesischen Kennzeichen“ nicht angetastet werden. Die zentrale Presse hat jetzt die „Vorschläge zur Ausarbeitung des Zehnjahresprogramms (1991 bis 2000) für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung und des achten Fünfjahrplans (1991 bis 1995)“ veröffentlicht. Danach bleiben die zentrale Kommandowirtschaft einschließlich der schwerfälligen Planbürokratie und der absolute Führungsanspruch der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft erhalten.

Der nach dem blutigen 4.Juni 1989 geschaßte reformfreudige Parteichef Zhao Ziyang hatte noch eine Reihe demokratischer Freiheiten, eine Trennung zwischen Parteiindoktrination und Wirtschaftslenkung sowie eine offene Presse auf seine Fahne geschrieben. Davon ist zu Beginn der 90er Jahre wenig übriggeblieben. Der Mechanismus der Volkskongresse, die Zusammenarbeit der sogenannten demokratischen Parteien unter Führung der Kommunisten und die politische Konsultation sollen jetzt verbessert werden — politische Institutionen aus den frühen fünfziger Jahren.

Eher vage sind die wirtschaftlichen Zielvorstellungen formuliert. Mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von sechs Prozent soll bis zum Jahre 2000 das Bruttosozialprodukt verdoppelt werden. Die von Deng Xiaoping ausgearbeitete „Modernisierungsstrategie“ soll Chinas Milliardenvolk am Ende des kommenden Jahrzehnts einen „bescheidenen Wohlstand“ bringen — also gerade etwas mehr, als genug zum Essen zu haben. Den Schlüssel dafür sehen die Parteioberen in einer Symbiose aus Plan und Markt, die den Massen die hellen Seiten der sozialistischen wie der kapitalistischen Welt bescheren soll.

Die Herrschaft behält zweifelsfrei der Plan — als Kennziffer für Rohstofflieferung, Produktionsumfang und Sortiment sowie Warenumschlag und Preis. Marktelemente dürfen lediglich bis zu einem gewissen Grad das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen. Auch Preis-, Lohn-, Steuer- und Finanzreform oder Experimente mit Börsenoperationen, Leasing oder Belegschaftsanteile bleiben innerhalb eines staatlich gesetzten Rahmens, können sich nur im „Vogelkäfig zentraler Vorgaben entfalten“, wie der orthodox-altökonomische Yun schon vor Jahren formuliert hatte.

Auch die Eigentumsverhältnisse bleiben weitgehend unangetastet. War die Reformdekade der achtziger Jahre noch durch das Anwachsen des privaten und kollektiven Sektors gekennzeichnet, wo nachweislich ökonomischer gewirtschaftet und marktgerechter produziert wurde, orientiert sich das Zentralkomitee nunmehr auf die mehr als 10.000 staatlichen großen und mittleren Betriebe. Der Presse zufolge steckt ein rundes Drittel davon in den roten Zahlen und verschlingt alljährlich Riesensubventionen.

Ausbleibende Rohstofflieferungen, Energiemangel, Transportengpässe, aber auch eine krakenartig wuchernde Bürokratie, Korruption und allgemeine Mißwirtschaft haben Chinas Staatsunternehmen zunehmend in Verruf gebracht. Gleichwohl realisieren diese Betriebe rund 60 Prozent des Gewinns und des Steueraufkommens, und so sieht die Partei in den teils maroden, oft hoch verschuldeten und durchweg personell aufgeblähten Staatsbetrieben die „Säulen der anhaltenden Modernisierungsbemühungen“ und setzt auf ihre Sanierung. Wo im Sinne wirtschaftlicher Kostenrechnung und marktgerechter Produktionsstrukturen Dezentralisierung geboten wäre, wird jedoch zu weitverzweigten Unternehmensgruppen geraten, die noch inflexibler sein dürften als die bestehenden Einheiten.

War im Reformpaket Zhao Ziyangs noch von der Trennung zwischen Partei- und Wirtschaftsleitung sowie zwischen Betrieben und Staatsmacht die Rede, so soll sich diese Trennung fortan nur noch auf konkrete Befugnisse beziehen. Das Ergebnis: Getreu dem Prinzip, wonach die Partei die führende Rolle ausübt, reden die Parteikomitees auch wieder in die Betriebslenkung hinein, werden Wirtschaftsentscheidungen politischen Kriterien untergeordnet.

In erster Linie geht es um den Erhalt der orthodoxen Strukturen. Konsequent soll der Kampf gegen jegliche Spielart der „bürgerlichen Liberalisierung“ geführt werden — parteichinesisches Synonym für das Eindringen freier Gedanken aus dem Ausland. Ein neuer Maulkorberlaß für JournalistInnen, jüngste Angriffe auf den prominenten Schriftsteller und ehemaligen Kulturminister Wang Meng, die Häufung von politischen Prozessen Anfang des Jahres und die Renaissance eines Bühnenstückes aus der hohen Zeit der Kulturrevolution weisen die gewünschte Richtung.

Einzig die wirtschaftlichen Sonderzonen versprechen bislang Spielwiese von Reformexperimenten zu bleiben. Über die Gebiete in Südchina holt der Staat einen erheblichen Anteil von Devisen, technischem Know-how, Maschinen und Anlagen ins Land.

Der Wirtschaftsaufschwung in diesen Kapitalismus-Inseln, die angekündigte Förderung der schon von Zhao Ziyang favorisierten Küstengebiete und die Einrichtung neuer Investionszonen wie Pudong in Shanghai könnten Zeichen für den tatsächlichen Fortgang der chinesischen Reformen setzen und auf andere Landesteile ausstrahlen: Südchina mit Hongkong bringt bei freier Entfaltung der Kräfte ein enormes Wirtschaftspotential. So bleibt offen, wie es im Jahre 2000 wirklich aussehen wird in China — die Autoren der eher reformhemmenden ZK- Richlinien werden das ohnehin kaum erleben.

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