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Zu Ehren Karl Liebknechts

■ Der Zweitligist Blau-Weiß ärgert die Noch-Erstligistin Hertha mit einem 2:0 Einer stärkt sein Selbstbewußtsein, der andere den letzten Tabellenplatz

Potsdam-Babelsberg. Innerhalb der Stadtgrenzen trauen sie sich nicht mehr, aber immerhin knapp davor. Im Babelsberger Karl-Liebknecht- Stadion fand das freundschaftliche Gigantentreffen um die Ehre der besten Fußballmannschaft der Stadt seine Stätte. Eine wunderbare Gelegenheit, allen rettungslos Fußballverrückten eine Orientierung für die am kommenden Wochenende beginnende Rückrunde in Bundesliga eins und zwei zu geben und die Entscheidung zu erleichtern: Hertha, Blau- Weiß oder doch zu Hause bleiben?

Wer zu Hertha möchte, muß ins Olympiastadion. Das ist ziemlich weit weg im Westen, ziemlich groß, ziemlich zugig und betonig. Dort ist es eher möglich, mit seinem Echo als mit einem Nachbarn zu sprechen, es gibt nur Wurst und dumme Sprüche. Die Blau-Weißen sind ihren Zuschauerzahlen entsprechend ins kleine Friedrich-Ludwig-Jahn-Stadion umgezogen, günstig am Prenzlauer Berg gelegen. Es gibt eine Döner-Bude und gemütliche Atmosphäre, ein nettes Publikum und Stehplätze.

Nun die entscheidende Frage: Wie sind sie momentan drauf? Objektiv ist, daß beide Vereine viel Spaß verbreiten. Auf unterschiedliche Weise, aber egal. Die gute Hertha hatte schon vor diesem Lokalderby für Spaß gesorgt, indem sie ein komplettes Sturmtrio verkaufte. Fred Klaus und Mark Farrington waren bekanntermaßen blind, aber etwas seltsam war nun der plötzliche Verkauf des einzigen richtigen Hertha-Stürmers, Axel Kruse, nach Frankfurt.

»Die Summe aller Dinge hat letztlich für einen Transfer gesprochen«, meinte dazu Manager Reinhard Roder. Anders gesagt: Kruse hat eine große Klappe und gilt als ein wenig cholerisch. So soll er letzte Woche beim Training einen Mitspieler gehauen haben und wurde deswegen sofort suspendiert. Trainer Pal Csernai wollte ihn nicht mehr haben. Kruse selbst meinte, daß ihm der Abschied aus Berlin weh tue. Roder dagegen meinte, daß ersterer schon länger weg wollte. Für die Mannschaft hatte Kapitän Dirk Greiser mitzuteilen: »Mit Kruse verlieren wir unseren besten Stürmer.«

Ebenso lustig auch die Faxen bei Blau-Weiß. Manager Michael Sziedat hatte dem finanzschwachen Verein den Sowjet Jaremtschuk aus Kiew besorgt. Nur gibt es schon zwei Ausländer in der Mannschaft, mehr dürfen nicht. Diese grobe Paddeligkeit erboste Vizemanager Maringer so sehr, daß er sich letzte Woche auf einer Pressekonferenz ganz böse mit dem Manager zankte. Ergebnis: Sziedat wurde gefeuert.

Jetzt soll das Wesentliche in den Vordergrund rücken, der Fußballsport. Zu Hertha: tja, also, äh, hm — der letzte Bundesliga-Platz wird wohl weiter fest in Berliner Hand bleiben. Konfus und ohne jedes Konzept staksten die Herthaner über den Rasen. Zwar war Libero Dirk Greiser wieder dabei, doch viel anders als bisher spielte die Abwehr nicht. Im Mittelfeld spielten auch welche, aber meist Fehlpässe oder orientierungslos. Und der Angriff? War keiner zu sehen. Am auffälligsten aber, gerade auf Schneeboden, waren die derben technischen Unzulänglichkeiten der Herthaner, am krassesten beim Neuzugang Winkhold, dessen Bananenflanken meist in die falsche Richtung abglitschten.

Manager Roder versprach allerdings für das Spiel am kommenden Sonnabend in Leverkusen eine ganz andere Hertha. Mehr fiel ihm nicht ein. Trainer Csernai war gar nicht erst zur Pressekonferenz erschienen, vielleicht aus Scham. Jedenfalls gibt es ganz viel Mitleid mit Hertha und eine Kerze in der Kirche.

Die Blau-Weißen gaben da nur Anlaß zum Staunen. Ohne Probleme knüpften sie gegen Hertha an die guten Leistungen der Hinrunde an. Die Spieler bewegten sich sicher und gewandt, der Ball wurde schnell und exakt weitergespielt; dies ging so weit, daß die Herthaner bei einigen Kombinationen wie Amateure vorgeführt wurden. Die beiden Neuen, Jaremtschuk und Steffen, produzierten gemeinsam das erste Tor der Blau-Weißen. Selbst in der zweiten Halbzeit, als Trainer Ehrmanntraut vier Spieler wechselte, hielten die Blau-Weißen die Herthaner noch mehr zum Narren, durfte Schlitzohr Levy mit einem verunglückten Flankenschlenzer noch das 2:0 erzielen.

Trainer und Präsident gefiel dies Gekicke so gut, daß sie hernach dicke Komplimente verteilten und sich in ihrer Freude kleine Seitenhiebe in Richtung der Herthaner nicht verkneifen konnten. Ehrmanntraut wunderte sich spöttelnd, daß »Hertha gegen einen Zweitligisten nur mit einem Stürmer gespielt hat«.

Tja, nun scheint die Entscheidung gefallen. Zu Hause bleiben gilt sowieso nicht. Zu Hertha zu gehen, lohnt wohl nur in der Hoffnung, daß wenigstens die im Olympiastadion auftauchenden Erstligisten guten Fußball zeigen. Bei den Blau-Weißen lohnt sich's allemal. Ein paar mehr als die 1.400 BesucherInnen am Sonnabend haben sie verdient, weil sie wenigstens richtig unterhaltend Fußball spielen können, was für Berliner Verhältnisse erstaunlich und selten ist. Und der Weg zum Prenzlauer Berg ist ja sowieso nicht so weit. Schmiernik

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