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Litauer stimmen für Unabhängigkeit

■ Aber auch Teile der polnischen und russischen Bevölkerung wollen ein unabhängiges Litauen/ Landsbergis: „Unser Wille ist vor aller Welt dokumentiert“/ Moskau erkennt Abstimmung nicht an

Vilnius (afp/ap/taz) — Mit überwältigender Mehrheit hat sich die litauische Bevölkerung am Samstag bei der Volksbefragung für die Unabhängigkeit Litauens ausgesprochen. Dies geht aus dem am frühen Sonntag morgen im Parlament in Vilnius bekanntgegebenen vorläufigen Endergebnis hervor. 90,47 Prozent der abgegebenen Stimmen beantworteten die Frage, ob der litauische Staat eine unabhängige und demokratische Republik sein soll, mit Ja. 6,56 Prozent sprachen sich dagegen aus und 2,97 Prozent der Stimmen waren ungültig. Die Wahlbeteiligung betrug 84,43 Prozent.

Der litauische Parlamentspräsident, Vytautas Landsbergis, bezeichnete das Ergebnis der Volksbefragung in einer ersten Reaktion vor der Presse als „einen Sieg gegen die Lüge“. Das Resultat werde der Nation „Stärke und Geduld“ geben, die es in Zukunft noch brauche. Am Dienstag werde das litauische Parlament über weitere politische Schritte nach der deutlichen Bestätigung der litauischen Unabhängigkeit durch die Bevölkerung beraten. Das Plebiszit ist nach Landsbergis' Auffassung „ein sehr wichtiges Argument“ für die Fortführung des bisherigen politischen Kurses der litauischen Regierung. Die Zahlen würden „in allen Ländern in West und Ost“ bekannt. Landsbergis wies besonders auch auf die hohe Wahlbeteiligung hin. Er bestätigte darüber hinaus, daß die Republik an dem von Moskau für den 17. März geplanten Referendum über den Erhalt der Sowjetunion nicht teilnehmen werde. Die Durchführung einer von Moskau organisierten Volksabstimmung in Litauen entspreche „dem Eingriff in die Angelegenheiten eines anderen Staates“.

Nicht mehr ganz überraschend ist die Unterstützung der litauischen Unabhängigkeit durch Teile der polnischen und auch russischen Bevölkerung. Nur 80 Prozent der Bevölkerung der Baltenrepublik sind gebürtige Litauer. Die restlichen 20 Prozent sind Russen, Polen und Weißrussen. In den letzten Tagen vor der Wahl hatten Abgeordnete der polnischen Minderheit im litauischen Parlament ihre Landsleute aufgerufen, mit Ja zu stimmen. Das „Unglück und die Aggression“ des 13. Januar, der in Litauen nur noch als Blutsonntag bezeichnet wird, hätten alle Menschen der Republik vereint, meinte der polnische Abgeordnete Ryszard Mazekianiez in einem. Dennoch fiel vor allem im Gebiet von Vilnius, wo fast die Hälfte der Bevölkerung aus Polen und Russen bestehen, die Zustimmung niedriger als in anderen Landesteilen aus. Hier war die Wahlbeteiligung mit 73,4 Prozent auch erheblich niedriger als in der übrigen Republik. Es gab aber beachtliche 80,6 Prozent Ja- und nur 10,9 Prozent Nein-Stimmen. 8,5 Prozent der Stimmen waren ungültig.

Die litauische Regierung hat am Sonntag den Transport der Urnen von den Wahlbüros in die Hauptstadt Vilnius abgesagt. Offenbar fürchtet die Regierung eine Provokation oder ein Eingreifen des sowjetischen Militärs, das für Sonntag Manöver in allen drei Baltenrepubliken angekündigt hatte. Die Urnen sollten von den 2.150 Wahlbüros in die Akademie der Wissenschaften in Vilnius zur offiziellen Auszählung gebracht werden. Unruhe löste die Nachricht aus, der sowjetische Geheimdienst KGB habe weitere 1.400 Rekruten nach Litauen entsandt. Die Soldaten stammten aus den Militärschulen des KGB in Zentralasien und Sibirien und seien zur Zeit auf den Militärstützpunkten in Ruklos und Kazlu Rudos in der Nähe der litauischen Stadt Kaunas stationiert, teilte ein Sprecher mit.

Island erkennt Litauen an

Als erstes Land will Island die Republik Litauen diplomatisch anerkennen. Eine diesbezügliche Beschlußsteht auf der heutigen Tagesordnung des isländischen Parlaments. Da in der vergangenen Woche alle im Allting vertretenen Parteien dafür entschieden hatten, wird sogar mit einer einstimmigen Annahme des Regierungsvorschlags gerechnet. Angesichts des drohenden Abbruchs der diplomatischen Beziehungen durch Moskau erklärte Ministerpräsident Hermannson, man wolle keine Konfrontation mit der Sowjetunion.

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