: Zeigen Sie mal 500 Millionen Jahre!
■ Die Vorbereitungen zur Evolutions-Ausstellung im Übersee-Museum laufen jetzt auf vollen Touren
hierhin bitte
das Foto
mit den kleinen
Vögeln und den
Menschenarmen
Das sind Basstölpel aus Plaste in 8 Haltungen, auf einem Felsen aus Gips.Foto: JO
Das ahnen Sie ja nicht, was an so einer Ausstellung alles dranhängt. Vom Geld soll hier erst gar nicht die Rede sein, das reicht ja nie, besonders, wenn von den beantragten 1,2 Millionen nur 500.000 in Sicht sind. Aber die detailversessenen Pläne, die Schaumgummischnipsel, Pappmodelle, Pinsel, Farbgerüche, Glühbirnchen!
Mitten in den Vorbereitungen der großen Ausstellung zum nicht gerade bescheidenen Thema 'Evolution' durfte die taz im Übersee-Museum Blicke hinter die Kulissen werfen, wo nach drei Jahren Planung die Kulissen entstehen. Thematische Einführung, einfach gesagt: Auf der Welt hing und hängt alles mit allem zusammen: Der Kosmos hat so viel mit einer Kolonie Vögel zu tun wie ein Zellkern mit dem Original-40- cm-Fußabdruck eines Dinosau
riers, beispielsweise. Also darstellerisch nicht gerade ein einfaches Thema.
Das ehrgeizige Projekt, auf der zweiten Museums-Galerie rund 500 Millionen Jahre rückwärts und dazu die steinerne und lebendige Welt im Zusammenhang von Pflanzen- und Tierfamilien im Öko-System darzustellen, verfolgen die beiden Museums-AbteilungsleiterInnen Dr. Elisabeth Kuster-Wendenburg und Dr. Herbert Hohmann. Das tun die Geologin und der Biologe gründlich und mit Phantasie.
Später wird beispielsweise ein ausgewachsenes norddeutsches Dinosaurier-Skelett vor einer, vor seiner Landschaft herumstehen. Präparatorin Monika Meinhold wollte eigentlich Malerei studieren, wurde aber als „zu naturalistisch“ abgewiesen. Genau dieses Talent ist hier in der Werkstatt gefragt, wenn sie mit Wandfarben und nach detailierten Vorlagen dem Dinosaurier seine Umgebung plant, mißt, zeichnet, malt: Überhaupt nicht egal, ob Farne oder Schachtelhalme wuchsen, ob der Baumstamm glatt oder schuppig war!
Die gelernte Zeichnerin und studierte Designerin Antje Diewerge zeichnet gerade akribisch zwischen den Kontinenten Pfeile für Luftströme in Weltkarten ein, schneidet farbige Folien darüber, die sich, später beleuchtet, zu bewegen scheinen.
Der Anfang vom Ganzen ist ein Papier- und Pappmodell der Ausstellunge-Etage, penibel maßstabsgetreu. Darin streichholzschachtelgroße Vitrinen, die geplanten Podeste, Rollstuhl-Rampen. Was paßt wohin? Nach dem Modell werden Schaukästen gebaut, Holz bestellt, Schwerpunkte festgelegt: Wenn die BesucherInnen später harmlos aus der Museums-Abteilung „Unterweser“ in die neue „Evolution“ kommen, kann man sie doch nicht gleich mit dem All, mit der Ewigkeit überfallen!
Noch vor der Zeitmaschine (Monitor mit 80 Bildern, Millionen Jahre rückblätterbar) überragt deshalb ein Felsen den Eingang — Gips, hohl, und mit Einblick per Sichtrohr: Was uns schwer und massiv erscheint, ist als Atomstruktur wie leichtes Netz, mit Leere dazuwischen, nicht einmal mit Luft.
Die Ausstellungsräume der Galerie im zweiten Stock sind lang und schmal. Also wird hier längsgedacht: Wenn rechts Ewigkeit und Uiversum stehen, ergänzt links das unvorstellbar Kleine: Atome. „Was Sie hier sehen, ist die Sonne“, erklärt Kuster-Wendenburg in einer der Werkstätten und meint die handgemachte Plastik-Scheibe auf dem Tisch, wie eine gelbe Riesen- Antennenschüssel, und holt aus dem Schrank ein kleines Blechdöschen: „...und das sind die Erde und andere Planeten.“ So winzig!
Klaus Wechsler arbeitet, optimistisch gerechnet nur ein Jahr lang, an einem der weltweit! wenigen raren Zell-Modelle, mannshoch, 1:100.000, schlauerweise und kostensparend aus Schaumstoff. Nach Grafiken und Mikroskop-Schnittbildern modelliert er Zellkern, Haftfädchen, die er penibel mit Rillen versieht. Kuster-Wendenburg, Paläontologin, will zeigen: „Die Evolution hat einen langen Weg hinter sich. Es ist ein Verbrechen, sie leichtsinnig zu zerstören.“ Susanne Paas
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