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Ruine, Freiluftkirche oder Wiederaufbau?

„Förderverein zum Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche e.V.“ vertritt die Idee des Wiederaufbaus der zum Stadtbild gehörenden Kirche  ■ Von Simona Block

Dresden (dpa) — „Wer das Weinen verlernt hat, der lernt es wieder beim Untergang von Dresden“, sagte der deutsche Dichter Gerhart Hauptmann, als er am 13. Februar 1945 den Bombenangriff auf die Elbestadt miterlebte. Neben 75.000 Wohnungen, Krankenhäusern und Schulen wurden in dieser Nacht nahezu alle bedeutenden Kulturdenkmale der Stadt und unersätzliche Schätze der Architektur vernichtet. Darunter war auch die Dresdner Frauenkirche, die seitdem als Ruine stehenblieb. Hunderttausende ziehen jährlich am Jahrestag des Infernos am Fuß der gespenstisch emporragenden Mauern vorbei, entzünden Kerzen und trauern um die Opfer der Bombennacht.

In ganzer Schönheit bis heute zu besichtigen ist das barocke Bauwerk des Meisters Georg Bähr (1666-1738) auf den zahlreichen Bildern des Italieners Canaletto. An der Silbermann-Orgel hatte Johann Sebastian Bach Konzerte gegeben, Goethe war auf den Turm der Kirche gestiegen und genoß die Stadtansicht von Dresden. Ursprüngliche Aufbaukonzepte waren immer wieder aufgegeben worden. Die Ruine galt statt dessen jahrelang als Mahnstätte gegen „imperialistische Barbarei“. Substanzerhaltende Maßnahmen wegen der Einsturzgefahr der Ruinenreste waren zu SED-Zeiten minimal und erst 1989 mit der Inbetriebnahme des Nobelhotels „Dresdner Hof“ unaufschiebbar geworden. Noch in diesem Jahr sollen die Mauerwerksverankerungen sowie Abdeckungen abgeschlossen sein. In den Tagen der friedlichen Revolution wurde die Frauenkirche zunehmend auch Ort der stillen Proteste und Hoffnungen. In dieser Zeit häuften sich auch Forderungen nach einem Neuaufbau. Dieses Streben gipfelte in dem „Ruf aus Dresden — 13. Februar 1990“. Seitdem stehen sich Anhänger und Gegner des Wiederaufbaus gegenüber. Zu letzteren gehört auch der Besitzer der Ruine, das evangelisch-lutherische Landeskirchenamt Sachsen.

Auch der Oberbürgermeister der Stadt Dresden, Herbert Wagner (CDU), hat in einer Denkschrift zur Frauenkirche eine Ruinenlösung begründet. Das historische Ensemble rund um die Frauenkirche existiere nicht mehr. Auch gebe es keine Gemeinde mehr. In knapper Entfernung stünden mehrere große Kirchen. Wagner schlägt dagegen vor, die guterhaltenen Katakomben einschließlich des Erdgeschoßfußbodens wiederherzustellen. Hier könnte in dem Ruinenraum „eine Freiluftkirche“ entstehen. Die Katakomben eignen sich nach Wagners Ansicht für Andachten, Friedensgebete, Jugendtreffen oder Ausstellungen. Während ein dem Original verpflichteter Neuaufbau rund eine halbe Milliarde Mark kosten würde, erfordere die Version des Bürgermeisters „nur“ etwa 23 Millionen Mark. Diesen Ideen entgegen stehen die Bestrebungen des in der Wende gegründeten „Förderkreises zum Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche e.V.“. Prominente Vertreter wie der Dresdner Trompeter Ludwig Güttler sind überzeugt, daß die Frauenkirche in der Stadt nicht mehr fehlen darf, sobald genug Geld für ihren Wiederaufbau da ist. Der Verein sucht Spender und Sponsoren für sein Vorhaben. Die Diskussion um das Bauwerk wird weitergehen.

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