»Als Präsidentin disqualifiziert«

■ Scharfe Kritik an der Präsidentin des Abgeordnetenhauses Hanna-Renate Laurien (CDU) für ihre angeblich private Kritik am SFB und seinem Intendanten/ SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne sehen »Neutralitätsgebot« des höchsten Amtes nicht gewahrt

Schöneberg/Charlottenburg. Mit verklausulierten Rücktrittsforderungen reagierten gestern SPD, FDP und Bündnis 90/Grüne auf den Eingriff der Abgeordnetenhaus-Präsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU) in die journalistische Freiheit des SFB. Wie die taz gestern berichtete, hatte Laurien sich in einem angeblich privaten Schreiben Ende Januar »als Bürgerin, als Abgeordnete« an den Intendanten von Lojewski (CSU-nah) gewandt (siehe Dokumentation Seite 22). In dem als Fax geschickten Brief klagt Laurien, daß von Lojewski »als CDU-gestützter Intendant« zuwenig für die Konservativen in der Stadt »wirksam« sei.

Laurien habe sich mit ihrem »skandalösen und äußerst schädlichen« Brief für das Amt als Präsidentin des Abgeordnetenhauses »disqualifiziert«, sagte gestern der SPD-Medienexperte Dieter Huhn. Der medienpolitische Sprecher der SPD, Joachim Günther, bezeichnete den Vorgang hingegen als »Streit unter CDU- Menschen«. Sein Kollege, der SPD- Landesgeschäftsführer Reinhard Roß mißbilligte Lauriens Vorgehen. Ihr Amt verlange »Zurückhaltung und Ausgleich«, die Präsidentin solle sich »solch massiver Eingriffe enthalten«.

Die FDP-Chefin Carola von Braun teilte mit, daß »die Präsidentin des Abgeordnetenhauses mit diesem Brief in bedauerlicher Weise ihre Amtsbefugnis überschritten« habe. Eine »erfahrene Politikerin« wie Laurien müsse wissen, daß sie »zu absoluter Neutralität verpflichtet« sei. Die Vorsitzende der Fraktion Grüne/Bündnis 90, Renate Künast, sprach von einem »Angriff auf die Pressefreiheit«. Von der Präsidentin selbst war gestern von der taz keine Stellungnahme zu bekommen.

Kernpunkt von Lauriens Medien- und Intendantenschelte ist, daß die SFB-Abendschau am 28. Janauar nicht über eine von Laurien initierte Soldidaritätsdemo für die Alliierten am Golf berichtet hatte — die ARD- Tagesschau hatte den 3.000-köpfigen Marsch für »Desert Storm« allerdings am Vortag fünf mal im Programm gehabt. Klaus Landowsky (CDU), Fraktionsvorsitzender und für die Christdemokraten im SFB- Rundfunkrat, hatte am Montag dieser Woche die Nicht-Erwähnung der Demo in der Abendschau scharf kritisiert.

Der Medienexperte der SPD, Dieter Huhn, ebenfalls im Rundfunkrat, bemerkte gegenüber der taz, daß Laurien dem SFB »in der besonderen Situation der Neubildung der Rundfunklandschaft« starken Schaden zugefügt habe. Denn die Länder Mecklenburg und Brandenburg, die der SFB momentan für eine neue Mehrländeranstalt umwerbe, hätten »ihre eigenen Erfahrungen mit dem Einfluß von Parteien auf den Rundfunk«. Huhn zog Vergleiche mit der politischen Fernsteurung des Bayerischen Rundfunks durch die Münchner Staatskanzlei. Doch dort brauche »niemand zu schreiben, da wird telefoniert.«

FDP-Chefin Carola von Braun, die selbst an der Demo teilgenommen hatte, teilte mit, daß sie »die Berichterstattung sehr kritisch verfolgt« habe und »diese in den Anstalten der ARD absolut korrrekt und ausreichend« gefunden habe. Hans-Hermann Kotte