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Liebe und andere Kleinigkeiten

■ Hal Hartleys „Verdacht auf Liebe“

Es war einmal eine Frau, die liebte einen Mann. Und der Mann liebte die Frau. Einmal, ein einziges Mal waren eine Frau und ein Mann, die einander liebten. The Unbelievable Truth (schnöde eingedeutscht in Verdacht auf Liebe), das Debüt des amerikanischen Regisseurs Hal Hartley, erzählt von der Liebe, die oft unglaublich, aber manchmal unglaublich wahr ist.

Josh (Robert Burke) trägt einen alten schwarzen Anzug. Hochgeschlossen und keusch. Nach 15 Jahren Gefängnis kommt er zurück in die miefige Kleinstadt, irgendwo an der Ostküste. Ein Massenmörder, so das Gerücht. Ein guter Automechaniker, so Vic (Christopher Cooke), und stellt Josh in seiner Werkstatt ein.

Vics Tochter Audry (Adrienne Shelley) ist siebzehn und liebt Bücher. In nihilistischem Schwarz sitzt sie am Frühstückstisch und alpträumt den Eltern vom Ende der Welt. No future auf amerikanisch — bis sich die Wege kreuzen: Josh und Audrey — zwei himmelblaue Augen, ein Schmollmund — und ein Gespräch über die Unfähigkeit zum Flirten.

Hal Hartley inszeniert die Geschichte von Josh und Audrey ganz lakonisch, mit winzigen Gesten und verhaltenen Worten. Aus Satzfetzen entstehen spröde Dialoge, Szenenbruchteile werden durch Schnitte zu einer Geschichte. Tonexperimente, Überlappungen und Zwischentitel erinnern wie aus weiter Ferne an Godard. Die Bilder sind lichtdurchflutet, blau und klar und frisch.

Verdacht auf Liebe ist mehr als eine Liebesgeschichte. Der Film erzählt von Ängsten und Träumen, von der Sprachlosigkeit und von dem, was zwischen den Worten entsteht. Der Besuch im nächstbesten Burger King wird zum Schnappschuß der ortsansässigen Tristesse, die unvermeidbare Barbecueparty im elterlichen Garten zum Ritual der Gewöhnlichkeit. Allmählich entsteht ein Porträt amerikanischer Wirklichkeit.

Ein Film mit trockenem Witz, vorsichtig rührend — hinterher nimmt man gutgelaunt drei Treppenstufen auf einmal. Michaela Lechner

Hal Hartley: Verdacht auf Liebe; mit Robert Burke, Adrienne Shelley; USA 1991; 91 Minuten.

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