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Die Schildbürger von Schildesche

■ Amateurkicker wollen mit Trikotwerbung „Gegen Rassismus“ spielen, doch nach der überraschenden Genehmigung durch den Deutschen Fußball-Bund sperrt sich nun der Vereinsvorstand

Bielefeld (taz) — Rassistische Äußerungen gehören inzwischen zum fußballerischen Alltag. So werden afrikanische Spieler wie Souleyman Sane, Anthony Baffoe und Anthony Yeboah von hirnlosen Fans mit „Neger-raus“-Rufen und affenartigem Grunzen bedacht oder mit Bananen beworfen. Doch nicht nur in den Bundesligastadien, auch beim Kick auf dem Kreisligaplatz herrscht der alltägliche Rassismus.

Um so erfreulicher eine Aktion der Spieler der zweiten Mannschaft des Bielefelder Stadtteilklubs VfL Schildesche. In der Rückserie sollte der Aufdruck „Gegen Rassismus“ die Trikots der B-Kreisligisten schmücken. „Unsere Trikotaufschrift soll dazu beitragen, bestehende Vorurteile und Spannungen gegenüber ausländischen Menschen abzubauen. Menschlich und sportlich gesehen ist es notwendig, daß Sprüche wie „Scheißkanaken“ oder „Türken raus“ von den Fußballplätzen verschwinden“, schreibt das Team in einem Flugblatt.

Überraschend hatte sogar der DFB, aufgeschreckt durch zunehmende rassistische Pöbeleien in den Fußballstadien, erstmals seine Zustimmung zu einem solchen Schriftzug gegeben. Mit elegantem Schlenker zog sich der Verband, der an einer verstärkten Politisierung des Fußballs ansonsten kein Interesse hat, aus der Affäre. „Die Aufschrift ist eindeutig nicht politisch“, befanden die westfälischen Verbandsoberen nach Beratungen mit der Frankfurter DFB-Zentrale. Sie bewerten die Aussage „Gegen Rassismus“ nun in Einklang mit ihrer Satzung als „Geste der Fairneß und Toleranz“. Damit schaffte es der DFB, sich selbst aus der Schußlinie zu nehmen.

So hätte den neuen Trikots nichts mehr im Wege gestanden, wäre nun nicht plötzlich der Vorstand des VfL Schildesche hellhörig geworden. Es entwickelte sich eine Provinzposse, denn selbst die äußerst feinsinnige Argumentation seines Dachverbandes beeindruckte den fünfköpfigen Vorstand wenig. Hier sieht man den Schriftzug „Gegen Rassismus“ auf den von einem Alternativbetrieb spendierten neuen Trikots immer noch als politische Aussage. Genau dies aber verbiete die Vereinssatzung.

Die Hauptargumente der Schildescher Schildbürger gegen den antirassistischen Slogan sind jedoch finanzieller Art. Einen befürchteten Rückzug ihrer mittelständischen Sponsoren vor Augen, stoppte der VfL-Vorstand die Initiative seiner Spieler. Die Trikots dürfen nur privat getragen werden, nicht aber während der sonntäglichen neunzig Punktspielminuten. Zwar hat der Sponsor nichts gegen „Weiße, Schwarze oder Grüne“, aber laut Vertrag müsse er auf das Tragen der von ihm bezahlten Sportkleidung bis zum Saisonende bestehen.

Dazu kam noch der Verdruß des Vereins, daß die Spieler der zweiten Mannschaft nicht den üblichen vereinsmeierischen Weg durch die Instanzen beschritten hatten, sondern sich gleich an die höchsten Stellen des DFB in Frankfurt wandten. Hinter dem Hickhack um die neue Sportkleidung verbirgt sich das ganze Dilemma eines kleinen Amateurvereins, der sich urplötzlich durch die DFB-Genehmigung im Rampenlicht sieht. Zwar unterstütze man „grundsätzlich die Initiative der Spieler“, doch die Angst vor den Geldgebern (zirka 30.000 Mark jährlich) ist bei dem kleinen Stadtteilverein stärker als der Wille zu einem mutigen Signal.

Der senegalesische Bundesligastar Souleyman Sane, seit Jahren Zielscheibe rassistischer Parolen, sieht in der Initiative der Bielefelder „endlich mal ein positives Beispiel“. Während er sich das brisante Trikot vor der Fernsehkamera spontan überstreifte, müssen Schildesches Stürmer nun mindestens bis zum Saisonende weiter für „Opel Kastrup“ auf Torjagd gehen. Für die neuen Trikots sucht die Mannschaft nun einen, möglichst höherklassigen Verein, dessen Vorstand mehr Mut hat. Roger Krenz (bi-media)

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