: Neues Gesetz für Atomstrom
■ Töpfer Atomnovelle soll Atomkraftwerke wieder möglich machen/ Begriff der Gefahrenvorsorge präzisieren/ Entsorgung als Genehmigungsvoraussetzung, aber Entlager nicht sofort nötig
Berlin (taz) — Die geplante Atomgesetznovelle soll Deutschland die Atomkraft erhalten. „Die Kernenergie soll in der gegenwärtigen Größenordnung“ erhalten bleiben, erklärte Umweltminister Klaus Töpfer bei der Vorstellung eines entsprechenden juristischen Gutachtens in Bonn. Dafür empfehlen die Juristen dem Gesetzgeber insbesondere, die Genehmigungsvoraussetzungen für zur Erhaltung des Atomstromanteils „nötige“ neue Reaktoren zu präzisieren und den Atombehörden in Bund und Ländern ihr „Versagungsermessen“ zu nehmen. Eine Streichung des Versagungsermessens raubt Atombehörden die Möglichkeit, Genehmigungen für Atomanlagen trotz der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen zu verweigern. Im Bundesumweltministerium wiegelte man ab: Das Versagungsermessen sei bisher ohnehin noch nie genutzt worden.
Präzisiert soll vor allem der Begriff der Gefahrenvorsorge werden. Heute muß die Gefahrenvorsorge nach dem jeweiligen Stand von Technik und Forschung erfolgen. Bei der Genehmigung eines AKWs muß dafür auch die Besorgnis nur einiger Wissenschaftler durch entsprechende technische Lösungen zerstreut werden. Der Atomrechtler Martin Führ vermutet, daß die Bundesregierung diese Rechtsauslegung der Gerichte auszuhebeln versuche und dabei die Rechtsstellung von Atomkraftgegnern verschlechtere, weil nicht explizit per Verordnung zur Gefahr erklärte Risiken juristisch plötzlich keine Gefahr mehr wären.
In einem anderen Kernpunkt des Atomgesetzes, der Entsorgung, schlagen die sechs Professoren weitgehende Änderungen vor. Die Endlagerung könnte juristisch der Wiederaufarbeitung gleichgestellt und ihre Privatisierung ermöglicht werden. Darüber hinaus könnte die „Entsorgungsvorsorge als Genehmigungsvoraussetzung“ für AKWs ausgestaltet werden, daß heißt in Paragraph 7 des Atomgesetz aufgenommen werden. Das wäre auch nötig nach dem Wegfall des Versagungsermessens: Bisher war das Entsorgungsproblem im Rahmen des Versagungsermessens geregelt worden. Die Bundesländer hatten die genauen Bedingungen 1979 in sogenannten Entsorgungsrichtlinien festgelegt.
Die Neuregelung bedeutet indes aber nicht, daß der Betrieb eines AKWs nun von einem schon existierenden Endlager abhängig gemacht werden soll, hatte Ministerialdirektor Walter Hohlefelder vom Bundesumweltministerium in Kenntnis des Gutachtens schon Ende Januar eingeschränkt. Auch die Reaktorbetreiber warnten damals, daß sie nur Bau und Inbetriebnahme des Endlagers, nicht aber die Langzeitverantwortung privatwirtschaftlich regeln könnten. Die Betreuung eines solchen Endlagers muß für Jahrtausende gesichert werden. ten
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