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Scheherazade

Wir unterstützen die Frauenaktion „Scheherazade“, da sie einen Versuch darstellt, auf internationaler Ebene die Stimmen der Menschen gegen den Golfkrieg zu sammeln. Wir haben jedoch große Vorbehalte gegen den Aufruf, solange die Hintergründe dieses Krieges nicht erwähnt werden. Sowohl Inhalte als auch Form (Telefax) der Verbreitung und der Abstimmung halten wir für eurozentristisch.

Der (Golf)Krieg hat schon vor vielen Jahren begonnen! Nur im Gegensatz zu den vielen, ihm vorausgegangenen Kriegen in der sogenannten Dritten Welt, zu den vorausgegangenen militärischen Überfällen der USA, der UdSSR und anderer Länder und der damit verbundenen kontinuierlichen Kolonialisierung und Ausbeutung der „Drittweltländer“ wird der Expansionsdrang von Saddam Hussein und der Golfkrieg von ihm, und auch von anderen, als ein Krieg geführt und gerechtfertigt, den der Irak stellvertretend für die anderen „Dritte Weltländer“ beziehungsweise arabischen Staaten gegen die sogenannte Erste Welt führt. Für die, die diesen Krieg begonnen haben, geht es um die HERRschaftsstabilisierung der Nordhälfte der Welt in der „Dritten Welt“, vor allem geht es darum, uns den gewohnten Konsum weiterhin zum Billigtarif zu gewährleisten. Auch Saddam Hussein versucht, seine HERRschaft in der Region und darüber hinaus zu stabilisieren. Wir verurteilen auch seine Handlungen und seine Begründungen dafür aufs schärfste.

Kriege, (innen- und außenpolitischer) Terror, Hunger, Flüchtlingsprobleme und ökologische Katastrophen werden jedoch immer wieder die Folgen der Ausbeutung von Natur und Menschen der Trikontländer sein. Der Frieden, den wir (NordeuropäerInnen) uns jetzt wünschen, beendet die Ausbeutung von Natur und Menschen beziehungsweise den permanenten ökologischen und ökonomischen Krieg gegen die Menschen in den erwähnten Ländern nicht. Dies zeigt sich unter anderem dadurch, daß einige arabische Länder in Saddam Hussein ihren Befreier von Unterdrückung und Nichtbeachtung durch die „Erste Welt“ sehen. Auch für die meisten Menschen in Lateinamerika, Afrika und Asien hat der Krieg nicht erst mit dem Golfkrieg begonnen. Die Frauen der „Dritten Welt“ haben kein Telefax und in der Regel auch andere Probleme, als uns mitzuteilen, ob sie für oder gegen diesen Krieg sind. Warum sollten sie ausgerechnet gegen diesen Krieg sein?

Wir fordern, daß der Krieg am Golf wegen seiner (eingeplanten und schon stattfindenden) materiellen und vor allem menschlichen Opfer sofort beendet wird. Die Völker der Welt, auch die der kriegsführenden Nationen, wurden nicht gefragt und sind dabei doch alle, wenn auch in unterschiedlichem Maße (Israel, Irak, Türkei uns so weiter), von den militärischen und ökologischen Zerstörungen betroffen.

Wir fordern den sofortigen Waffenstillstand im Golfkrieg! Wir glauben jedoch, insbesondere in Anbetracht der zensierten und manipulierten staatlichen Informationspolitik durch die Massenmedien in aller Welt, nicht an das Mittel „Welturabstimmung“ gegen den Krieg. Über die HERRschaftsverhältnisse in der Welt kann nicht abgestimmt werden! Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Der Weltfrieden hat seinen Preis. Deshalb: sofortige Nahostkonferenz, völkerrechtlicher Status für PalästinenserInnen und KurdInnen, Existenzrecht für Israel, sofortiger Stopp der weltweiten Rüstungsproduktion und deren Exporte. Es gibt keine legalen Waffenexporte und keine friedlich nutzbaren Rüstungsgüter, es gibt kein friedenssicherndes Militär. Auflösung aller Armeen, gerechte Weltwirtschaftsordnung. Unser Lebensstandard ist permanenter Krieg gegen die Völker der sogenannten Dritten Welt und Osteuropas und gegen die Natur! Kriege, Flüchtlingsproblematik, Hunger und Naturzerstörung werden solange nicht aufhören, bis wir kapieren, daß unser Lebensstandard auf Kosten der Völker, die zwei Drittel der Menschheit sind, erzwungen ist. Dagegen hilft keine Abstimmung! [...] Feministisches Frauen-Gesundheits-Zentrum e.V.,

West-Berlin

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