: "Krieg ist für mich Mord"-betr.: "Den Krähwinkel verlassen" von Ulrich Hausmann, taz vom 12.2.91
betr.: „Den Krähwinkel verlassen“ von Ulrich Hausmann,
taz vom 12.2.91
1.Deutschland steht zwar nicht im Mittelpunkt des Krieges, liegt aber, was zum Beispiel seine ökologischen Gefahren betrifft, nah genug, um die „Hysterie“ (nicht nur) der deutschen Friedensbewegung zu rechtfertigen, wenngleich die befürchteten Worst- case-Szenarien (bisher) ausgeblieben sind.
2.Was spricht, abgesehen von nationalistischen Tendenzen, gegen ein neutrales Deutschland? Wenn die „westliche Wertegemeinschaft“ darin besteht, die einen Diktaturen hochzupäppeln, um die anderen zu bekämpfen — zum Wohl der Rüstungsbonzen und anderer Profiteure—, wenn es demokratisch ist, die Ausbeutung der „Dritten Welt“ voranzutreiben, dann wünsche ich mir geradezu, daß Deutschland in Zukunft diese Form von „Verantwortung“ ablehnt, statt seine Soldaten für eine falsche Politik die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen.
3.Zum Saddam Hussein-Hitler- Vergleich: Gerade in Dänemark und Norwegen wurde erfolgreich gewaltfreier Widerstand gegen das Hitler-Regime geleistet. Es ist eine hypothetische Frage, ob der Pazifismus Hitler endgültig hätte stoppen können. Allerdings: Wer die Unwirksamkeit des Pazifismus betont, sollte auch prüfen, wie es im Zweiten Weltkrieg um die Verhältnismäßigkeit militärischer Mittel stand — in Dresden, Hiroshima, Nagasaki? Werner Köhler, Krefeld.
Nach mehrwöchigem, geduldigem Studium der Beiträge zum Golfkrieg auf der Debattenseite der taz habe ich den folgenden konstruktiven, wenn auch kaum noch originellen Vorschlag zu machen: Neben der Rubrik „Aktionen gegen den Golfkrieg“ eine Rubrik „Aktionen für den Golfkrieg“ einzuführen, in welcher unter der Überschrift „ständige Aktionen“ der Eintrag zu machen wäre: „Debattenseite der taz“. Georg Lentze, Hamburg
Deutschland lebt mit einer spezifischen Geschichte: dies erklärt und legitimiert die „zu spürende Hysterie“ in der Friedensbewegung, obwohl sie nicht nur dort aufzufinden ist. Zur Zeit sind deutsche Politiker bestrebt, mit Israelbesuchen ihre Ängste und ihr Unvermögen zu verdecken oder damit umzugehen. Ist das nicht auch Hysterie, wenn der Begriff ebenfalls umgangssprachlich verwendet wird?
„Ausgeprägte Ignoranz“ ist verfehlt, denn immer wieder wird versucht, andere Handlungsalternativen aufzuzeigen. Besonders auch unter dem Aspekt, eine tragfähige, entsprechende deutsche Innen- und Außenpolitik möglich zu machen. Gerade Deutschland darf sich aufgrund seiner Geschichte nicht kriegerisch verhalten oder entsprechende Handlungen unterstützen. Statt dessen aber hat es Diplomatie zu unterstützen, die eine mögliche innerarabische Entwicklung fördert und die Erfüllung der UN-Resolution führt. Für nichts anderes!
Den Krieg materiell und personell zu unterstützen entfällt damit. Denn wie sagte doch Bush in seiner Rede am 25.Januar 1991? Es gilt eine neue Weltordnung zu schaffen. Steht das in der UN-Resolution? Ruth Fischer, Stakt Augustin
Auf bestimmte Auseinandersetzungen habe ich keine Lust mehr, bei bestimmten Kommentaren wird mir schlecht. Ich fände es schön, in der taz damit verschont zu werden.
Krieg wird von Individuen initiiert, diese Individuen können sich gerne gegenseitig umbringen — ich hätte nichts dagegen. Wenn Kriege so ablaufen würden, gäbe es vermutlich keine und die betreffenden Herren würden sich vielleicht eher auf die Couch des Psychiaters begeben.
Krieg lebt davon, daß andere, die Befehlsgehorsam bis zur Verinnerlichung gelernt haben oder selbst von dem Wahnsinn überzeugt sind, an die Front geschickt werden. Das Ganze findet unter wirtschaftlichen und innenpolitischen Gesichtspunkten statt. Bomben und anderes verbrauchen, damit wieder neue produziert werden können; außenpolitische „Notwendigkeiten“ um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Perpetuum Mobile — aber auf Kosten von Menschenleben.
Die Menge an Toten und Verwundeten in der Zivilbevölkerung scheint keine Rolle zu spielen. Wie alles andere können ja auch sie wieder produziert werden oder der Zweck heiligt die Mittel? Gegen diese Menschenverachtung möchte ich mich wehren, hier, wo wir es uns noch leisten können, öffentlich zu protestieren. Diesen Widerstand angesichts katastrophaler humanitärer und ökologischer Auswirkungen des Krieges als „hysterisch“ zu bezeichnen, ist lächerlich. Gerade die Tatsache, daß wir nicht im „Mittelpunkt des Krieges“ sind, gibt uns die Möglichkeit zu Protest. Ansonsten wären wir wohl eher mit Überlebensversuchen beschäftigt.
Krieg ist für mich Mord. Völkermord als Form der Außenpolitik finde ich nicht akzeptabel, besonders dann nicht, wenn es andere Stanktionsmöglichkeiten gibt. Bevor Herr Hausmann weitere Gedankenakrobatik zur Rolle Deutschlands von sich gibt, sollte er sich bitte etwas umfassender informieren. Cornelia Barh, Bremen
Die sicherlich zu großen Teilen nicht unberechtigte Kritik an der politischen Initiativlosigkeit der Bundesregierung seit Beginn der Golfkrise mal beiseite gelassen — in des Autors Auslassungen zur deutschen Friedensbewegung finden sich (neben disqualifizierenden Urteilen wie „Hysterie“ — das hat bei etlichen linken Publizisten jetzt offenbar einen gewissen Chic und kann einem langsam zum Halse raushängen) einige in ihrer Formulierung wirklich erschreckende Sätze. So zum Beispiel der Vorwurf, die „leicht angegrauten Friedensapostel“ würden lieber einen „vielleicht auch schlechten Status quo als das Risiko von Wirren mit einem nur möglichen, aber nicht garantierten guten Ausgang“ hinnehmen. Der mehr und mehr gegen die Zivilbevölkerung Iraks gerichtete mörderische Bombenterro der Alliierten, die Gefahr des Einsatzes von ABC-Waffen, die Raketen auf Tel Aviv und die Ölkastastrophe im Golf — das sind also „Wirren mit einem nur möglichen, aber nicht garantierten guten Ausgang“, vom Autor in einem Zusammenhang mit der Situation in Polen nach der Verhängung des Kriegsrechts genannt?
Natürlich darf auch der inzwischen hunderte mal wiedergekäute, dadurch aber wohl nicht weniger zweifelhafte Saddam Hussein-Hitler-Vergleich nicht fehlen. Dieser scheint ursprünglich ohnehin weniger einer historischen Analyse entsprungen zu sein, als vielmehr der politischen Propagandaabsicht, den im Bewußtsein der Menschen vorhandenen Antifaschismus und das Gefühl der Verpflichtung gegenüber dem jüdischen Volk in eine Befürwortung der Beteiligung am Golfkrieg zu kanalisieren.
Schließlich eine wirklich erhabene Phrase: „Ein Frieden, der um den Preis der Freiheit und der Gerechtigkeit erkauft wird, das ist nur ein anderer Name für Diktatur.“ So einfach ist das also. Jeder kann sich ausrechnen, was alles man mit Hilfe dieses demagogischen Einmaleins rechtfertigen könnte.
Ein Vorwurf des politischen Anachronismus an die Kriegsgegner? Berechtigterweise wohl eher an diejenigen, die die Probleme des Mittleren und Nahen Ostens der neunziger Jahre mittels abendländischer Denkschablonen, die der Mitte dieses Jahrhunderts entstammen, zu erklären und zu lösen versuchen. Peter Born, Ost-Berlin
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