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Bonn—Berlin: Was kostet es, wenn eine Regierung umzieht?—Seite 8 Der Krieg am Golf und die Bürger der Kleinstadt REPORTAGESEITE 2 DIENSTAG, 19. FEBRUAR 1991 8. WOCHE NR. 294Mit oder ohne Grün?

■ Sächsische Bürgerbewegungen wollen große Einheit

Die Alternative zum großen Zusammenschluß, die von den beiden kleineren Gruppierungen IFM und DJ verfochten und auf einer zentralen Berliner Konferenz Anfang Februar auch DDR-weit angepeilt worden war, lautet: Zusammenschluß ohne die Grünen. In Sachsen kam es darüber zu heftigen Debatten. Hinter diesem Konflikt steckt die Grundsatzfrage, ob die neue organisatorische Form eine Partei sein sollte oder nicht. In Sachsen ging niemand so weit wie einzelne Berliner NF-Vertreter, die ein offenes Oppositionsforum wollen, das nur zur Kandidatur als Zweck- „Bündnis 90“ aller Initiativen zusammentreten würde. Gegen den Zusammenschluß mit den Grünen stand aber dennoch die Sorge, daß der Bürgerbewegungs-Charakter bei einem Zusammenschluß mit den Sachsen-Grünen und eventuell später mit den Bundesgrünen verloren ginge. Wenn man — wie in Hessen unter Joschka Fischer — sich an der Regierungsmacht beteiligen will und die angepeilte Koalition dafür nur zwei Stimmen Mehrheit hat, dann müsse strenge Fraktionsdisziplin eingeführt werden. Ein anderes, eher parteitaktisches Argument wurde nur verschämt angesprochen: Durch die Identifizierung mit den West-Grünen könnten Wähler verschreckt werden, fürchten vor allem Vertreter von DJ. Auf der anderen Seite und für ein Zusammengehen stand vor allem die Tatsache, daß in vielen Orten und Kreisen die Zusammenarbeit mit den Grünen schon gut funktioniert. Der juristische Berater der Sachsen-Grünen wies zudem darauf hin, daß das Bundeswahlgesetz zu den Bundestagswahlen nur „Parteien“ zuläßt. Zudem gebe es für Parteien finanzielle Vorteile. In der Debatte wurde der Unterschied von „Partei“ und „Bewegung“ stark relativiert, sagten einige. „Partei“ müsse zudem nicht heißen, daß die internen Strukturen wie bei der SED sind. Die West- Grünen verstünden sich auch als „Bewegung“. Und haben die Bürgerbewegungen nicht längst Partei- charakter? Martin Böttger (MdL), der vermitteln wollte, bekannte: „Die Grünen Sachsen sind für mich nicht mehr Partei als das Neue Forum.“ Frank Engel (Grüne) ergänzte, daß keine Basis der Bürgerbewegung die Verwendung der 2,1 Millionen Wahlkampfkosten kontrolliert habe. Wenn es nur um eine Zusammenarbeit in Sachsen gegangen wäre, hätte es kaum einer Debatte bedurft. Immerhin hatten die Grünen Sachsen es abgelehnt, als Landesverband den Bundesgrünen beizutreten und so den anderen Bürgerbewegungen demonstrativ „die Hand gereicht“ (Antje Rush, Grüne MdL). Dies wurde denn vor allem beschlossen; bis zum Oktober 1991 soll die organisatorische Vereinigung vollzogen sein. K.W.

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