: Petunien: Lachsrot und hochpolitisch
■ Erstmals wird heute in Köln die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen erörtert
Berlin (taz) — Egal wie die Sache ausgeht: Am heutigen Nachmittag wird in einem Kölner Gymnasium Gen-Geschichte geschrieben. Erstmals in der Bundesrepublik soll die Freisetzung gentechnisch manipulierter Organismen nach den Bestimmungen des neuen Gentechnik-Gesetzes genehmigt werden. Das Gesetz verlangt die öffentliche „Erörterung“ der gegen das Vorhaben erhobenen Einwände. Wie bereits vor Jahresfrist, will das Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung auch in diesem Jahr gentechnisch manipulierte Petunien im Kölner Stadtteil Vogelsang auf den Acker bringen. Etwa 1.600 Menschen haben gegen das Experiment Einspruch erhoben.
Vor Jahresfrist war der Versuch mit damals 31.000 Petunien, denen ein Mais-Gen eingepflanzt war, praktisch ohne gesetzliche Grundlage genehmigt worden. Das fremde Gen sorgt bei den eigentlich weißen Balkonpflanzen für eine lachsrote Farbe, die sich in dem äußerst seltenen Fall zurückentwickeln sollte, wenn ein sogenanntes „springendes Gen“ auf das Mais- Gen hüpft und dieses blockiert. Soweit die Theorie. In der Praxis scheiterte das Experiment der Kölner Forscher, weil nach einer Hitzewelle im vergangenen August praktisch alle Pflanzen erblaßten und danach in allen möglichen Farbschattierungen weiterblühten. Das Debakel ist nun Anlaß für eine modifizierte Versuchsanordnung: in diesem Frühjahr sollen 10.000 manipulierte Petunien ins Freiland.
Die Erörterung, bei der unter dem Vorsitz des Bundesgesundheitsamtes (BGA) Antragsteller und Gentechnik-Gegner aufeinandertreffen, wird sich wohl weniger um die eher harmlosen Pflanzen, als ums Grundsätzliche drehen. Wohl zu recht fürchtet Peter Meyer, der im Max-Planck-Institut für das Genehmigungsverfahren zuständige Mitarbeiter: „Es wird wieder politisch.“ Dafür sorgt voraussichtlich schon das „neutrale“ BGA: Der kommissarische Leiter der Abteilung Gentechnik, Hans- Jörg Buhk, hat angekündigt, die 1.600 Einwender sollen an einem einzigen Nachmittag abgefertigt werden. Die Konfrontation ist also programmiert. gero/-man-
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