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Allee wird Todesstreifen für Tiere

■ Im Spandauer Forst sägen Autofahrer Sperrpfosten und Schilder ab und fahren Wildschweine an

Spandau. Baustadtrat Klaus Jungclaus hat den Kampf aufgegeben. Es sei Sache der Polizei, im Spandauer Forst die Straßenverkehrsordnung aufrechtzuerhalten. Er habe die zwei klappbaren Poller am Ende der Schönwalder Allee, von der der Spandauer Forst genau in der Mitte durchschnitten wird, bis Mitte letzten Jahres regelmäßig reparieren lassen. Doch immer wieder seien die Absperrpfosten kaputt gemacht worden. Aber, wiegelt der SPDler ab, es werde »nicht massiv« durch das Landschaftsschutzgebiet gefahren: »Am Tage kaum, eher Wochenendverkehr«.

Polizeioberrat Werner Fröhlich ist auf den Baustadtrat sauer. Der Leiter von Abschnitt 22 gibt dem Bezirks-Sozi zwar recht. »Natürlich« sei er für die Aufrechterhaltung der Verkehrsregeln verantwortlich — auch im Forst. Doch Absperrpfosten und Verkehrsschilder müsse nun einmal Jungclaus' Tiefbauamt aufstellen. Aber ohne korrekte Ausschilderung hätten seine Schutzmänner gegen Autofahrer keine Handhabe.

Wer die Schilder absägt oder gar mit einem Trecker die Absperrpfosten rausreißt, weiß der Polizeioberrat nicht. Angesichts der Aktivitäten könne er nur feststellen, daß »eine erhebliche kriminelle Energie« vorhanden sei. Fröhlich schätzt im Gegensatz zu Jungclaus, daß die Waldstraße eher stärker befahren wird: »In den frühen Morgenstunden und in den Abendstunden Berufspendler, am Wochenende Spazierfahrten.«

Einer hat nachgezählt. Peter Miech, Ornitologe, hat werktäglich um die 500 Wagen ausgemacht, die die Schönwalder Allee entlangrauschen. Sollte das Verbot einmal völlig aufgehoben werde, so wie das Bezirksamt es will, würden auf jeden Fall über 2.000, vielleicht aber auch mehr als 5.000 Fahrzeuge täglich die Straße passieren. Denn die Allee ist für viele Bewohner von ein paar Brandenburger Gemeinden eine willkommene Abkürzung nach Spandau. Sie müßten den Forst nicht mehr zeitraubend umfahren.

Für Miech wäre eine Öffnung der Schönwalder Allee ein ökologischer Horror. 12 Quadratkilometer Wald würden genau in der Mitte zerschnitten. Für viele Tierarten — ob nun kleine Frösche oder ausgewachsenes Rotwild — würde die Piste der Tod bedeuten. Schon jetzt werden auf dem Kopfsteinplaster Wildschweinrudel angefahren. Erst vor kurzem habe ein Autofahrer aus Brandenburg beim Förster einen »Unfall« gemeldet, damit er den Schaden an Stoßstange und Kühlergrill von seiner Versicherung ersetzt bekommt. Zwei Schweine waren tot.

Miech, der bei Siemens Rechenanlagen programmiert, hatte 1989 den Spandauer Umweltpreis erhalten. Der Programmierer hatte in seiner Freizeit über elf Jahre lang beobachtet, wo und wann Amphibien und Reptilien die Schönwalder Allee überqueren.

Die Tierwanderung geht los, wenn der Frost aufhört und der Schnee geschmolzen ist. Dann kriechen und quaken die Erdkröte, der Gras- und Wasserfrosch sowie der Teichmolch — alles bedrohte Tierarten — zum Niederneuendorfer Kanal oder zum Kleinen und Großen Rohrpfuhl Teich zum Laichen.

Aufgrund Miechs Untersuchungen begann das Spandauer Bezirksamt 1,6 Kilometer des Amphibien- Todesstreifens mit sogenannten Folienzäunen zu sichern. Vor der 40 Zentimeter hohen Folie fielen die Tiere in eingrabene Eimer und wurden so vor den wenigen Fahrten der Bewohner aus Eiskeller gerettet. Damals durften — wie heute immer noch — nur die Anwohner der Exklave die Waldstraße befahren, weil es keinen anderen Weg gab. Mitarbeiter des Amtes für Naturschutz trugen jeden Tag die Tiere über die 6,5 Meter breite Allee und setzten sie dort wieder aus. 26.000 Mark kostete die Rettungsaktion 1989.

Umweltschutzverbände fordern nun, daß jetzt die Schönwalder Allee im Forstbereich für den Autoverkehr völlig geschlossen wird. Durch die Öffnung der Mauer könnten die 3.200 Bewohner von Schönwalde, aber auch die Leute aus Eiskeller, mit ihren Autos über die nahegelegene Radelandstraße fahren, zu der eine Zufahrt ermöglicht werden müßte. Die Straße schneide südlich des Forstes nur einen kleinen Teil ab. Dirk Wildt

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