: Nicht pazifistisch-betr.: Berichterstattung zum Golfkrieg
betr.: Berichterstattung zum
Golfkrieg
[...] Die taz ist heute unzweideutig und uneingeschränkt auf Seiten jener zu finden, die den Krieg am Golf ablehnen. Das müßte jedermann kommentarlos akzeptieren — wenn nicht die Begründung für diese Haltung so doppelbödig wäre. Echte pazifistische Rechtfertigungen für das Nein zum Golfkrieg sind unangreifbar; man muß sie nicht teilen, aber sie verdienen wegen ihrer Stringenz und Konsequenz uneingeschränkten Respekt. Die taz — in der Mehrzahl der Beiträge — argumentiert aber nicht pazifistisch.
Die taz argumentiert auch nicht moralisch, schon gar nicht ethisch. [...] Die taz — und mit ihr große Teile der jetzigen Antigolfkriegsbewegung argumentiert pragmatisch. Es sind die erwarteten Folgen des Krieges, die man anprangert: Umweltkatastrophe, Zerstörung, menschliches Leid, Gefahr der globalen Ausbreitung des Konflikts.
Natürlich ist diese Angst vor den Folgen höchst realistisch und daher berechtigt, es wäre blanker Unfug, das zu leugnen. Aber wird in der Redaktion neben all dem Blödsinn vom „Blut für Öl“ (entweder ihr habt keine Ökonomen oder nur dilettantische) auch einmal diskutiert, daß dieser Konflikt auch eine ethische Frage aufwirft?
Es ist doch völlig nebensächlich, welche konkreten Beweggründe die Allianz am Golf tatsächlich hat, den Krieg zu führen. Wichtig ist, ob es überhaupt akzeptable Rechtfertigungsstrategien für diesen Krieg gibt — und zwar echte, nicht bloß vorgeschobene, propagandistische. Denn ob sich jemand ein tragfähiges Argument für sein Handeln zu eigen macht, ist zumindest im Ergebnis dann unwichtig, wenn es überhaupt ein tragfähiges Argument zur Rechtfertigung dieses Handelns gibt.
Öl ist sicher kein Argument, um den Golfkrieg zu rechtfertigen. Und wie ist das mit Kuwait? Mit welcher Begründung würde man dann eigentlich Israel kritisieren wollen, falls es morgen den Libanon annektiert und ihn nur dann zu räumen bereit ist, wenn alle Palästinenser Jerusalem verlassen? Und mit welchem Argument will man den Freiheitskampf des palästinensischen Volkes begründen, wenn man das Selbstbestimmungsrecht Kuwaits für nicht so wichtig hält? Wenn Solidarität für Überfallene und Unterdrückte heutzutage davon abhängt, ob der Betroffene sich zum politischen Symbol eignet (wie, zurecht, Palästina) oder nicht (wie Kuwait) — dann kann man eigentlich nur feststellen, daß der Begriff der Solidarität bis zur Selbstaufhebung abgewirtschaftet hat.
Die politische Bigotterie der nicht pazifistisch argumentierenden Golfkriegsgegner ist moralisch ätzend und rational lächerlich. Um so enttäuschender muß es sein, wenn die taz vergleichsweise unkritisch in diesen dumpfen Antiintellektualismus einstimmt. In vielen anderen Fragen war die Zeitung souverän, weil sie die mehrheitliche Redaktionsmeinung zum Beispiel in Gastkommentaren ernsthaft zur Debatte stellte. Seit dem 16. Januar ist das leider vorbei, und ich befürchte, daß sich so etwas nicht rückgängig machen läßt, auch wenn der Krieg — hoffentlich— vorbei ist. [...] Alexander Fritsch, West-Berlin
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