: Das Armenhaus debattiert
■ »Ökosozialistisch-kommunistische« Opposition fiel über Diepgen her/ Abgeordnetenhaus debattierte mehrere Stunden die Regierungserklärung
Berlin. Mit schlimmen Visionen wurde der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen gestern konfrontiert. Er wäre in Bonn »nicht besser behandelt worden, wenn er Mitglied der PDS wäre«, meinte PDS- Fraktionschefin Gesine Lötsch mit Blick auf die Sparpläne der Bundesregierung. Sogar den Wechsel in die Reihen der Opposition bot Lötsch dem Senatschef in der Abgeordnetenhaus-Debatte über Diepgens Regierungserklärung an.
Kommunistische Neigungen zeigte Diepgens rechte Hand, der CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky, gestern noch nicht. Dennoch schien er in seiner Rede geneigt, den Sozialisten die Erbschaft abzunehmen. »Soziale Sicherheit« sei ein Thema mit »absolutem Vorrang«, verkündete der Fraktionschef. Die Bonner ermahnte er, in Berlin keine »Hauptstadtattrappe« zuzulassen, und seine Mitbürger ließ er wissen, die Zukunftsprobleme der Stadt könnten nicht »mit wehleidigen, sondern nur mit zupackenden Menschen gelöst werden«.
Die Kritik der »vereinten ökosozialistisch-kommunistischen Opposition« auf den linken Bänken des Parlaments wies Landowsky zurück. Weniger angriffslustig trat SPD- Fraktionschef Ditmar Staffelt an. Auf Kritik an der Opposition verzichtete er ganz, und den von der CDU gestellten Innensenator Dieter Heckelmann nahm sich Staffelt nur sehr sanft zur Brust. Ohne die Maulkörbe für 17 Araber ausdrücklich zu erwähnen, sagte der SPD-Politiker: »Das war nicht die Meisterleistung.« Künftig müsse in ähnlichen Fällen »frühzeitig« das Parlament informiert werden; »etwaige Maßnahmen« sollten zukünftig mit der Sozialsenatorin und der ihr unterstellten Ausländerbeauftragten erörtert werden. Die große Koalition sei »keine Gesinnungsgemeinschaft«, betonte Staffelt.
FDP-Fraktionschefin Carola von Braun störte an Diepgens Regierungserklärung nicht die falsche Gesinnung, sondern das fehlende Konzept. Geliefert habe der Regierende lediglich ein »ordentliches Aufzählen von Verwaltungsvorlagen«, in Diepgens Erklärung stecke »soviel Vision wie in einem Hamburger«. Auch die FDP-Politikerin glänzte mit PDS-Diktion: Sie warnte vor einer Atmosphäre »der Ausgrenzung und der Intoleranz« gegenüber den wie auch immer belasteten Bürgern der Ex-DDR.
Nach der Vergangenheitsbewältigung der Westberliner CDU fragte Wolfgang Wieland, der für die Fraktion von Bündnis 90 und AL sprach. »Affären pflastern Ihren Weg«, ermahnte der AL-Politiker die Christdemokraten. Heute drohe Berlin sich zur »Armutsmetropole« zu entwickeln, und Diepgen mute an wie einer, »der auf der Kellertreppe pfeift«. hmt
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