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Kein Herz für Filmkultur

■ Der lange Marsch der kulturellen Filmförderung

Zwei Millionen DM sollten im Jahr 1990 der kulturellen Filmförderung jenseits wirtschaftlicher Kriterien zugutekommen. Doch die Umsetzung des ambitionierten Projekts der rot-grünen Koalition scheiterte an der Bürokratie der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten. Ganze 510.000 DM hat Kultursenator Roloff-Momin rückwirkend wieder freibekommen — die restliche Summe landete bei den Berliner Theatern. Ein Bericht von Gerhard Sonnleitner.

Begonnen hatte der Traum von der Förderung einer nichtkommerziellen Filmkunst mit den rot-grünen Koalitionsvereinbarungen im Februar 1989. Darin wurden zwei Millionen DM für kulturelle Filmförderung in Aussicht gestellt. Das Plenum Berliner Filmschaffender, ein loser Zusammenschluß all derer, die mit der vornehmlich an wirtschaftlichen Kriterien orientierten Filmförderung unzufrieden waren, entwickelte Modelle und Ausführungsvorschläge, und im Juli 89 ging ein erster Richtlinienentwurf an den Senat.

Vorbilder waren die westdeutschen Filmbüros, die auf der Idee aufbauen, daß der kulturelle Film jenseits der Gesetze der Kinowirtschaft — genauso wie Oper, Theater und Museen — Anspruch auf staatliche Subventionen hat.

Im Sommer 89 meldete aber auch die etablierte Berliner Filmwelt Mitsprache an der Förderungsdiskussion an. Kultursenatorin Martiny reagierte mit einem Hearing, zu dem alle Fraktionen des Berliner Filmlebens geladen waren. Dabei machte sie klar, daß es keine eigenständige kulturelle Filmförderung geben würde, sondern daß Aspekte von dieser in die bestehende eingebaut werden sollten. Um dieser Forderung nachzukommen, gründete sich der Filmrat, eine Allianz von 21 Delegierten, die das gesamte Spektrum der Berliner Filmwelt vertreten wollen. Aufgabe dieses Filmrats war und ist es, Förderungsrichtlinien zu erarbeiten, die Mitglieder der Gremien vorzuschlagen, die dann über Zu- und Absage der eingereichten Anträge entscheiden, und die Anwendung der neuen Richtlinien zu kontrollieren.

Im März 1990 legte der Filmrat dem Senat seinen Entwurf vor: Der Idee der kulturellen Filmförderung wurde entsprochen, indem für die Bereiche Drehbuch, Produktionsvorbereitung/Produktion von Filmen mit Herstellungskosten bis zu 150.000 DM und Abspiel Senatszuschüsse zur Verfügung gestellt werden (im wirtschaftlichen Teil der Förderung werden nur Darlehen vermittelt). Finanzierungsgrundlage für den Zuschußbereich waren die zwei Millionen DM aus dem Koalitionspapier. Doch die hatten sich zu diesem Zeitpunkt schon auf 1,5 Millionen verringert — soviel sah der Haushaltsplan 1990 für die neuen Förderungsbereiche vor. 500.000 DM waren für den Gropius- Bau abgezweigt worden.

Über die Gremienzusammensetzung des Filmratsmodells kam es zum Dissens mit dem Senat. Der zähe Teil der Verhandlungen begann, so daß sich die Verabschiedung der Förderungsrichtlinien verzögerte. Die Filmemacher, die um ihre Gelder für das Haushaltsjahr 90 bangten, appellierten dringend an die Senatorin, die Freigabe der Förderungssumme zu ermöglichen. Am 1. Oktober 90 traten endlich die neuen Richtlinien in Kraft, gekoppelt mit der Erklärung des Senatsverwaltung, daß jetzt nur mehr 1,2 Millionen DM zur Verfügung stünden. 300.000 DM hätten für unvorhersehbar hohe Ausgaben anderer filmkultureller Aktivitäten — Sommerakademie, Filmbuch etc. — verwendet werden müssen.

Doch schon im Büro des Filmbeauftragten Robert Eisenhauser, der für die Bearbeitung der Anträge bis zur Gremienentscheidung zuständig ist, schien man kein Herz für das jüngste Förderungskind zu haben. Die Filmemacher beklagen sich über vielfache bürokratische Hindernisse: So sei der Einreichtermin für die Förderungsanträge nur in einer einzigen Filmfachzeitschrift veröffentlicht worden und den meisten Filmemachern gar nicht zu Ohren gekommen; Antragsmodalitäten unklar gewesen, Unterlagen seien nicht an die Gremienmitglieder weitergereicht worden. Erst am Tag der Sitzung, auf der über die Anträge entschieden werden sollte, hätten die Gremienmitglieder erfahren, in welcher Höhe sie nun Förderungsempfehlungen aussprechen durften: Für sämtliche Zuschußbereiche waren dies 570.000 DM — das anteilige Fördervolumen für eine Sitzung des Filmrats, wie die Senatsverwaltung erklärte.

Die erste und letzte Sitzung des Filmrats im Jahr 1990 war im Dezember — normalerweise sollten die Gremien mindestens dreimal im Jahr tagen. Pech für den Filmrat: Den Gremienempfehlungen kam das Referat Film in der Senatsverwaltung nur mehr in einem Punkt nach. Im Bereich Abspiel wurden 79.000DM an Projekte vergeben. Der Rest in Höhe von 1,1 Millionen DM, der als kulturelle Filmförderung ursprünglich zur Verfügung gestellt worden war, kam bei den Filmemachern nicht an. Dem Filmratsmitglied Wulf Brandes erklärte Karin Marquard, Leiterin des Referats Film in der Senatsverwaltung, daß es nicht mehr möglich gewesen sei, sämtliche Zuwendungen im Haushaltsjahr 90 abzuwickeln. Deshalb hätten am 17. 2. 90 1,1 Millionen DM an die Freie Volksbühne und das Theater des Westens überwiesen werden müssen, um sie für die Kultur zu retten. Und auch der Pressesprecher der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten, Zawatka, sowie Hermann Abrahamovski, persönlicher Referent des neuen Kultursenators, sprechen von haushaltstechnischen Umschichtungen, die zum Jahresende vorgenommen werden mußten, um zu verhindern, daß nicht ausgegebenes Geld aus dem Kulturbudget zurück an den Finanzsenat wandert.

Bleibt die Frage, warum Filmbeauftragter und Filmreferat nicht mehr Energie daran setzten, den gesamten Förderungsablauf fristgerecht unter Dach und Fach zu bringen und warum den Gremien nur 570.000 DM zur Verfügung standen, wenn anschließend Geld den Theatern zugeschoben werden mußte, um es vor dem Verfall zu retten. Auf den offenen Brief des Filmrats und des Plenums Berliner Filmschaffender, in dem der Kultursenator aufgefordert wurde, das Verbleiben der restlichen Gelder aufzuklären und die Finanzierung der Filmförderung sicherzustellen, reagierte Roloff-Momin jetzt mit der Zusage, das sämtliche im Dezember 90 bewilligten Projekte nunmehr ihr Geld erhielten, und versprach, daß diese Mittel nicht auf das Budget 91 angerechnet würden. Damit ist die kulturelle Filmförderung um rund 510.000 DM reicher, die bis dato mit ganzen 80.000 DM im Jahr 1990 abgespeist worden war. Eine Geste des guten Willens von seiten des Kultursenators, den die Berliner Filmemacher bei der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten bislang schmerzlich vermißt haben.

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