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Ein Dach für deutsche Protestanten

■ Einhellige Zustimmung bei der EKD zur Wiedervereinigung mit der ostdeutschen BEK/ Gemischte Gefühle im Ost-Bund der Evangelischen Kirchen/ Magdeburger Bischof Demke kritisiert zu hohes Tempo

Berlin (dpa/taz) — Nach mehr als zwei Jahrzehnten der Trennung haben die evangelischen Kirchen in Deutschland am Sonntag auf einer gemeinsamen Sitzung in Berlin- Spandau ihre Wiedervereinigung beschlossen.

Von den 120 Synodalen der westlichen Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) stimmten bei einer Enthaltung alle den beiden entsprechenden Gesetzen über die Zusammenführung zu; unter den anwesenden 55 Synodalen des ostdeutschen Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) gab es acht Gegenstimmen und vier Enthaltungen. Während der Präses der EKD-Synode, der SPD-Politiker Jürgen Schmude meinte, „wir erfüllen uns einen Traum“, äußerten Vertreter ostdeutscher Kirchen Bedenken, das spezielle Empfinden und die besonderen Probleme der Christen in den neuen Bundesländern in der wiedervereinigten Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) könne unter die Räder kommen.

Die ostdeutschen evangelischen Kirchen hatten sich aufgrund des politischen Drucks der SED-Regierung im Jahre 1969 organisatorisch von der EKD getrennt und einen eigenen Bund gegründet.

Nach Schmude ist die Wiedervereinigung „kein Tag des lauten Jubels, aber ein Tag der Freude und des Dankes“. Er sei zuversichtlich, daß Bedenken und Sorgen, wie sie auch in den Gegenstimmen zum Ausdruck gekommen seien, entkräftet werden oder ihnen Rechnung getragen wird. Deswegen sei die jetzige Vereinigung nur eine Etappe auf dem Weg zur Einheit. Die Vorsitzende der BEK-Synode, Rosemarie Cynkiewicz, sagte, sie sei „dankbar, daß das Kirchengesetz nun beschlossen ist“. Alles komme jetzt darauf an, wie die Ostkirchen sich in diesem Rahmen bewegen.

Auf der dreitägigen Synode hatte der BEK-Vorsitzende, der Magdeburger Bischof Christoph Demke, die seiner Ansicht nach zu schnelle kirchliche Vereinigung kritisiert. Das Tempo dabei sei „keine kirchliche Notwendigkeit“, sondern Ergebnis eines „eklatanten Schwächeanfalls auf unserer Seite“. Nach Ansicht Demkes muß auch das Finanzgebaren der EKD neu geordnet werden. Die finanzielle Konzeption der EKD sei wegen der hohen Personalkosten, die zum großen Teil nicht aus Kirchensteuermitteln bestritten würden, „unverantwortlich“.

Der sächsische Superintendent Günter Pilz stimmte gegen die Vorlage, um ein „Zeichen gegen die Vereinigungseuphorie“ zu setzen. Die Menschen in den neuen Bundesländern stünden vor einem „gesellschaftlichen Niedergang“ und könnten jetzt zum zweiten Mal zu den Verlierern in der Geschichte gehören. Der Schweriner Landesbischof hat am Samstag kritisiert, daß im Vereinigungsprozeß der Kirchen kaum Zeit für die Diskussion neuer Inhalte blieb.

Die kirchliche Wiedervereinigung kann erst wirksam werden, wenn die acht Landeskirchen des früheren DDR-Bundes zugestimmt haben. Der neuen EKD werden dann 24 Landeskirchen mit rund 30 Millionen Christen angehören. Die gesamtdeutsche Synode soll Ende Juni im fränkischen Coburg zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammentreten.

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