: Bush gab Schwarzkopf schon vor dem Ultimatum „freie Hand“
■ Auch der endgültige Befehl zum Vormarsch auf Kuwait und Irak erfolgte vor Ablauf des von Bush am Freitag gesetzten Ultimatums für einen Rückzug
Als „sehr erfolgreich“ beschrieben Vertreter des Pentagon am späten Sonntag nachmittag die ersten 15 Stunden des Bodenkrieges gegen Irak. Zu Beginn der Angriffe verhängte das Pentagon eine fast totale Nachrichtensperre. Der Befehl zum Vormarsch Hunderttausender Soldaten sowie Tausender Panzer und Infanteriefahrzeuge auf kuwaitisches und südirakisches Territorium war am Samstag noch vor Ablauf der von Bush gesetzten Frist für einen Rückzug der irakischen Truppen erfolgt. Für die noch laufenden diplomatischen Bemühungen Moskaus und die Beratungen im UNO-Sicherheitsrat blieb keine Chance.
US-amerikanische Offizielle in Washington wie in Saudi-Arabien waren gestern auffällig bemüht, den Angriff als „gemeinsame Aktion der Alliierten“ unter aktiver Beteiligung der verbündeten Streitkräfte arabischer Staaten darzustellen. Neben den US-Truppen (die 90 Prozent des Kontingents stellen) sowie französischen und britischen Einheiten kämpften Soldaten aus Ägypten, Saudi-Arabien, Syrien, Kuwait und aus den Vereinigten Arabischen Emiraten „von Beginn an an vorderster Front“ hieß es. Bestätigt wurde der Einsatz von Napalm. Über diese spärlichen Informationen hinausgehende Journalistenfragen wurden unter Verweis auf die Nachrichtensperre nicht beantwortet. US-Verteidigungsminister Cheney begündete diese Maßnahme mit dem „notwendigen Schutz der eigenen Soldaten“. Selbst „äußerst unschuldig klingende Informationen“ könnten „Saddam Hussein Aufschlüsse über unsere Kriegsstrategie geben“.
Offiziell äußerten sich Pentagon- Sprecher zurückhaltend über die mögliche Dauer des Krieges und verwiesen darauf, daß der Irak trotz der in den letzten fünfeinhalb Wochen durch alliierte Luftangriffe angerichteten Zerstörungen immer noch ein „starker, nicht zu unterschätzender Gegner“ sei. Inoffiziell hieß es, die „Operation“ werde „sehr schnell verlaufen“ und möglicherweise schon in einer Woche „siegreich beendet“ sein.
Die offizielle Verkündung des Bodenkrieges erfolgte am Samstag abend gegen halb neun (Ortszeit Washington) durch Präsident Bush. Am Freitag mittag hatte er Irak ein Ultimatum für den Beginn des Rückzuges bis Samstag mittag zwölf Uhr gesetzt. Die Zeit zwischen diesen beiden Erklärungen war durch zum Teil hektische Bemühungen um eine diplomatische Lösung und die Verhinderung eines Bodenkrieges gekennzeichnet. Aus Moskau erklärten am Freitag abend sowohl Iraks Außenminister Asis wie Sprecher von Präsident Gorbatschow, Irak habe einem Sechs-Punkte-Rückzugsplan zugestimmt. Der Plan sah u.a. den vollständigen Rückzug aus Kuwait innerhalb von drei Wochen (Bush- Forderung: eine Woche), die Räumung von Kuwait City in 72 Stunden (Bush: 48 Stunden) und die Aufhebung von elf UNO-Resolutionen gegen Irak (Bush: muß der Sicherheitsrat selber entscheiden) vor. Dieser Plan wurde dem Sicherheitsrat vorgelegt, der am Samstag hinter verschlossenen Türen tagte. Die Bush- Administration lehnte diesen Vorschlag als unzureichend ab und ließ sich auch nicht mehr ernsthaft auf von der UdSSR und anderen Mitgliedern des Sicherheitsrates verlangte Verhandlungen über eine Annäherung etwa der verschiedenen Zeitpläne für den Rückzug ein.
Als die Meldungen über den Beginn der Bodenangriffe im UNO- Hauptquartier eintrafen, wurde die Sitzung des Sicherheitsrates abgebrochen und lediglich vereinbart, die weiteren Entwicklungen „zu beobachten“. Sowjetische Sprecher erklärten, hätte mehr Verhandlungszeit zur Verfügung gestanden, wäre ein Kompromiß über einen Rückzug in zehn Tagen möglich gewesen.
Am Samstag nachmittag war für kurze Zeit Hoffnung auf eine Annäherung aufgeflammt, als Moskaus UNO-Botschafter Vorontsow vor dem Sicherheitsrat erklärte, der irakische Außenminister habe sich „positiv“ über den „Vorschlag“ der USA geäußert. Entsprechende Äußerungen habe Asis kurz vor seinem Abflug aus Moskau in einem vom Flughafen geführten Telefonat mit Gorbatschow gemacht. Da jedoch der irakische UNO-Gesandte Kadrat lediglich die Annahme des sowjetischen Sechs-Punkte-Planes erklärte und auch aus Bagdad keine Bestätigung für die Darstellung Vorontsows kam, kabelte Washingtons UNO- Botschafter Pickering die Mitteilung an seine Regierung, Moskau versuche lediglich durch eine „Überinterpretation“ einer „angeblichen“ Asis- Äußerung „mehr Zeit zu gewinnen“.
Selbst wenn die Asis-Äußerung am Samstag nachmittag noch aus Bagdad bestätigt worden wäre, hätte dies wahrscheinlich kaum den Beginn des Bodenkrieges verhindert oder verzögert. Nach Informationen aus dem Pentagon wurde das genaue Datum für den Beginn der Bodenattacken bereits vor zwei Wochen bei den Beratungen von US-Verteidigungsminister Cheney und General Powell mit dem Oberkomamndierenden General Schwarzkopf in Riad festgesetzt. Schwarzkopf erhielt bereits am Freitag „freie Hand“ — also bevor das Ultimatum an Irak verkündet wurde. Ebenso erfolgte Schwarzkopfs Befehl zum Vormarsch bereits vor Ablauf des Ultimatums am Samstag mittag. Andreas Zumach, Washington
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