: Südliches Afrika: Wirtschaftspläne werden zur Makulatur
Nur Angola profitiert vom Golfkrieg, ansonsten steigen Inflationsraten und Handelsbilanzdefizite/ Labilen Ökonomien droht ernsthafte Beschädigung ■ Von Willi Germund
Johannesburg (taz) — Zimbabwes Regierung fürchtet, daß 1991 die Ölrechnung gegenüber dem letzten Jahr von 142 auf 346 Millionen Dollar klettern wird. In Mosambik müssen die Hilfsorganisationen jetzt 1.000 Dollar ausgeben, um eine Tonne Nahrungsmittel in Hungergebiete zu transportieren — Mitte des letzten Jahres waren es noch 680 Dollar. In Sambia stieg der Benzinpreis seit August 1990 um 400 Prozent. Als der Golfkrieg ausbrach, mußte gar die Raffinerie stillgelegt werden, weil kein Öl mehr ankam.
Die Folgen des Golfkriegs, so befürchtet das unabhängige „Southern African Research and Documentation Centre“ (SARDC), bringt die langfristigen Wachstumschancen und sogar die politische Stabilität im südlichen Afrika in Gefahr: „Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Golfkrieges schwappen wie eine riesige Flutwelle über die Region und drohen die labilen Ökonomien ernsthaft zu beschädigen.“
Zunächst waren die Preise der Orientierungsölmarke Brent von 20 auf 38 Dollar gestiegen, nachdem der Irak Kuwait besetzt hatte. Inzwischen fiel der Preis wieder auf 20 Dollar — aber der Schaden ist bereits angerichtet. In Mosambik, das ohnehin an den Folgen eines fünfzehnjährigen Kriegs leidet und zur Zeit mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF) seine Wirtschaft liberalisiert, verdoppelten sich nicht nur die Benzinpreise. Zwischenzeitlich mußten Hilfsorganisationen ihre Flüge in Hungergebiete einstellen, weil kein Flugbenzin zu haben war. Die Streikräfte am Persischen Golf bunkerten jeden verfügbaren Tropfen Sprit.
Die Entwicklung warf auch alle volkswirtschaftlichen Prognosen über den Haufen. Ursprünglich hatte die Regierung des Landes am Indischen Ozean für Ende des letzten Jahres eine Inflationsrate von 18 Prozent angepeilt. Wegen des Golfkriegs landete Mosambik wieder bei 30 Prozent. Auch in Sambia droht die Wirtschaftsliberalisierung dem Golfkrieg zum Opfer zu fallen. Schon 1990 mußte das Land 180 Millionen Dollar für Öleinfuhren ausgeben. 1989 waren es nur 100 Millionen gewesen. Dabei drückt ohnehin eine Schuldenlast von sieben Milliarden Dollar auf das Land. Das Land muß mittlerweile sein Öl über Südafrika importieren.
Doch auch am Kap der guten Hoffnung schlägt der Golfkrieg zu Buche. So schrumpfte der Handelsüberschuß von 1,2 Milliarden D-Mark im Dezember 1990 auf 96 Millionen D-Mark. Der Grund: Die Einfuhren stiegen um 60 Prozent auf 3,2 Milliarden D-Mark. Die Kosten für „nicht klassifizierten Einfuhren“ explodierten gar um 140 Prozent. Hinter dem Begriff verbirgt das Apartheidregime aus „strategischen Gründen“ seine Erdölimporte.
Auch Zimbabwes Wirtschaftsplanung wird durch den Golfkrieg über den Haufen geworfen. Die steigenden Transportkosten heizen nicht nicht nur die Inflation an, sie bedrohen auch das im Oktober angelaufene Liberalisierungsprogramm. Denn das Land leidet unter Geldmangel. Ende März will Zimbabwe bei einer Geberkonferenz in Paris insgesamt 3,4 Milliarden US-Dollar lockermachen. Damit soll der Anfang eines Fünfjahreprogramms finanziert werden, das mit der Weltbank und dem IWF vereinbart wurde. Insgesamt werden, so die augenblicklichen Berechnungen, bis 1995 16 Milliarden Dollar benötigt.
Doch die gestiegenen Ölpreise drohen einen Strich durch die Rechnung zu machen. Schon während der letzten zehn Jahre kam das Wirtschaftswachstum mit durchschnittlich 2,7 Prozent nicht dem jährlichen Bevölkerungswachstum nach. Bereits im letzten Jahr betrug das Zahlungsbilanzdefizit 177 Millionen Dollar — gegenüber 1989 im Jahr 1989. Auch das Finanzministerium in Harare macht dafür das Öl verantwortlich. „Wenn die Preise nicht wieder fallen“, so die Erklärung weiter, „werden die Auswirkungen im Jahr 1991 noch größer sein, weil sie das ganze Jahr anhalten.“
Grund zum Frohlocken haben nur die ölproduzierenden Staaten Angola, Nigeria, Gabun, Kongo, Kamerun und Elfenbeinküste. Diesen Staaten besitzen 80 Prozent der Ölreserven südlich der Sahara. Lediglich Gabun und Nigeria gehören der Opec an und sind, wenn manchmal auch nur lose, an Produktionsquoten gebunden. Zwar ist Nigeria mit 1,6 Millionen Barrel pro Tag traditionell der größte Ölexporteur dieser Staaten, aber Angola, das 90 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus dem Ölexport bezieht, bewies in der Vergangenheit, daß es am schnellsten die Produktion erhöhen kann. Das Land von der doppelten Größe Frankreichs sitzt auf 1,84 Milliarden Barrel Erdölvorkommen. Von 1982 bis 1987 stieg die angolanische Erdölförderung von 130.000 auf 300.000 Barrel pro Tag. Seit Anfang dieses Jahres fördert Angola 520.000 Barrel täglich.
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