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Arabische Pressestimmen

■ 'Al Ahram‘ zur Bodenoffensive und zur Nachkriegsordnung in der Region

Berlin (taz) — Die halbamtliche ägyptische Tageszeitung 'Al Ahram‘ kommentiert den Beginn der Bodenoffensive:

Die Bodenoffensive hat begonnen. Das Rad des Krieges dreht sich. Die Vorbereitung eines üppigen Gastmahles ist im Gange. Seine Münder sind die Kanonen, und seine Speisen sind Menschenfleisch. Stille Trauer beherrscht uns, seit wir die Nachrichten zu früher Morgenstunde hörten. Die Sache war gelaufen, als die Vereinigten Staaten die diplomatischen Versuche der Sowjetunion zur Verhinderung der Bodenschlacht ablehnten. Diese Versuche hatte die Sowjetunion unternommen, um ihre Ehre in der Weltöffentlichkeit zu retten und zu bekräftigen, daß sie nach wie vor präsent und einflußreich ist. Der Machthaber des Iraks versuchte auch, seine Ehre vor seinem Volk zu retten und zu demonstrieren, daß er keine Niederlage erleidet. Er antwortete auf die sowjetische Initiative, aber die USA lehnten ab. Der erste Akt war vorbei, und der Vorhang zu einem neuen Akt der Tragödie hob sich: Wüste, Blut, Sand, Minen, Bomben, Panzer, Raketen und brennende Ölquellen...

Saddam Hussein hat die Wahl: entweder wahrt er seine Ehre oder das Blut seines Volkes. Was wiegt in seinen Augen schwerer? Warum stirbt der irakische Soldat in Kuwait, anstatt zur Verteidigung von Kuwait zu sterben. Der Tod eines Arabers zur Verteidigung eines anderen Arabers ist gerechtfertigt und logisch. Aber der Tod eines Arabers, der arabisches Territorium gewaltsam erobert hat, ist eine Tragödie und nicht den Einsatz des Lebens wert. Das Rad der Zeit drehte sich, der Tyrann der Baath-Partei, der die islamische Revolution im Iran zum Vorteil der USA und der Golfländer bekämpfte, ist jetzt zwei Feuern ausgesetzt, dem der USA und der Golfländer. Das ist Allahs Rache.

'Al Ahram‘ beschäftigte sich in ihrer Freitagsausgabe mit den innenpolitischen Perspektiven des Iraks nach dem Krieg und einer Nachkriegsordung für die Region:

Es bleibt die Frage, ob mit dem irakischen Rückzug aus Kuwait, mit dem Abzug einiger unversehrter (irakischer) Truppen die vollständige Stabilität in der Golfregion wiederhergestellt werden kann? Oder ist aus amerikanischer Sicht die Stabilität der Region zukünftig gefährdet? Es ist klar, daß der Irak wirtschaftlich und militärisch schwer geschädigt ist. Es wird Jahre dauern, das wieder aufzubauen, was durch den Krieg zerstört wurde. Diese Frage ist ganz allgemein mit der Neuordnung und der Sicherheit nach Kriegsende verbunden. Diese Ordnung — so bekräftigten Ägypten, Syrien, Saudi-Arabien und die Golfländer — muß eine arabische Ordnung sein, die aus den Staaten der Region hervorgeht und nicht vom Ausland bestimmt wird. Einer in Zukunft wahrscheinlichen irakischen Bedrohung könnte man durch ein arabisches Sicherheitssystem begegnen, das das Gleichgewicht in der Golfregion gewährleistet und jegliche regionale Vorherrschaftsbestrebungen einzelner Staaten verhindert. Das betrifft auch Überlegungen, die Grenzen dieser Länder, einschließlich des Irak, geographisch zu verändern.

Die nächste Frage lautet: Wie soll das politische System im Irak aussehen, nachdem sich der Rauch des Krieges verzogen hat? Die meisten politischen Analysen seitens der irakischen Opposition und ihrer wichtigsten Vereinigungen im Iran, Syrien und Großbritannien sowie einige europäische und amerikanische Länder halten es für wahrscheinlich, daß sich Saddam Hussein, wenn er an der Macht bleibt, wie ein heißhungriger, verwundeter Tiger gegenüber seinem Volk und seinen Nachbarn gebärden wird. Die meisten Beteiligten der Opposition sind sich darüber einig, daß die Rettung des Iraks erforderlich ist, indem das Land sich von Saddam Hussein und seinem Regime befreit. Eine verschwindend geringe Minderheit sieht gegenwärtig in der Beendigung des Krieges das erste Ziel. Im Hinblick auf Saddam Hussein könne nur dessen Volk die Verantwortung übernehmen. Übersetzung: Klaus-Peter Wagner

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