Markthalle - Warum eigentlich nicht?

■ taz-Forum: Neue Ideen für die Markthalle / Teil 1: von Narciss Göbbel

Die Markthalle, Stein des Denkanstoßes, leer Tristan Vankann

Der lange Niedergang der „Markthalle“ nach altem Konzept ist ausgestanden. Das alte Zentralbad am Richtweg steht wieder leer. Und ist doch dafür viel zu schade. Was hätte nicht alles Platz in dem frisch gestrichenen Riesenbau mit hintendran eingebauten Parkplätzen! 6.000 Quadratmeter zum Volldenken! Die Frankfurter Eigentümer verhandeln seit Tagen mit dem „Modernes“, welches als Hauptnutzer gerne samt Konzertbetrieb, Disco und Kino einziehen möchte. Konzertveranstalter, Tonstudios und Medienbetriebe (wie z.B. die taz) sind nebenher ins Gespräch gekommen. Möglicherweise entsteht da, bundesweit erstmalig, ein eigenartiges Zentrum alternativer Medienkultur; besiedelt von Mietern, die, weil halbkommerziell abgesichert, von staatlicher Förderung weitgehend unabhän

gig wären.

Damit aber auch tagsüber, bevor der Nachtbetrieb beginnt, das richtige Leben in den öden Richtweg kommt, sind attraktive Ideen gefragt. Fühlen Sie sich also durchaus aufgefordert. Wir beginnen unseren kleinen Markt heute mit Visiönchen von Narciss Goebbel, einem gelernten Soziologen und Rundumdenker.

Die Phantasie läuft über, reiht wie auf einer Perlenkette die Bilder von Märkten, buntem Marktgeschehen, eilfertigen Händlern, wundersamen Gerüchen und prallen Farben aneinander. Der Wunsch nach einem intakten orientalischen Basar projiziert Friedenssehnsüchte zur Beendigung des Golfkrieges. Weitausladende Markisen romantisieren die Anschauungen von Marktplätzen italienischer Städte in die Bremer Innenstadt. Eine Erlebnishalle für alle Sinne, das wär doch was.

Die Fassade klinker-klar und starr. Das kann nur ein kommerziell betriebenes Kultur-und Veranstaltungszentrum auflösen. Durch die Räume des Finanzsenators hindurch in einer leicht beschwingten Kulturachse: Kongreßzentrum, Stadthalle, Schnoor, Leibnizplatz. Denn die Verstärkereffekte vorhandener Kulturachsen sind zu nützen und in klingende Münze umzuwandeln.

Eine Markthalle für Kultur: Dauerbetrieb für Lebensstile und Kulturgenüsse. Ein anspruchsvolles Programm bitte, damit wir nicht immer neidisch nach Hamburg schielen bzw. fahren müssen (z.B. Kampnagel, Schmidts, Reeperbahn, Cats und der neue Musentempel Zillertal). Kabarett, Shows, Musicals und ambitionierte Kleinkunst fände ausreichend Platz in den Hallen und in den z. Zt. schon fast leergeräumten Volksküchen des multikulturelle Geschmacks im mittleren und unteren Teil.

Die drei Hallenzüge sind groß, das Dach postmodern hoch (und zu hell) und mit industriellem Design. Das ließe mal endlich Akrobatik und Variete vom Feinsten zu. Eine Las Vegas-Show mit Magiern und Illusionisten.

Oder vielleicht doch ein Filmfestivalpalast, wo einem die Stars zu Premieren auf der Rolltreppe entgegenfahren, zur Verleihung des Silbernen Roland. Mit Filmbüro, Filmförderung, Filmwerkstatt und zuarbeitenden Branchenbüros drumherum. (Dann könnte das Medienzentrum in Walle zu einem medienpädagogischen Werkstattkomplex für die VHS richtig und auf Dauer kulturpolitisch subventioniert werden.) Oder eine Musikhalle, ein Mode-und Designzentrum... Die Kapitaldienste für einen entsprechend notwendigen Rückbau dieser jüngsten Bremer Dienstleistungsruine oberzentraler Phantasien drücken neben den Altlasten sicherlich schwer. Zinslasten machen kulturelle Spiel“räume“ eng und verstärken gleichzeitig die notwendende Lust auf vielfältige Nutzungsphantasien. Also, die Nächsten bitte. Bremen muß Kulturhauptstadt Europas werden — EG-gefördert, versteht sich.

Narciss Göbbel