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Freudenfeiern in Kuwait

Kuwaitische Soldaten rücken jubelnd in Kuwait-Stadt ein/ 'afp‘- Korrespondent: Irakische Einheiten hinterlassen verwüstete Stadt  ■ Aus Kuwait Chris Lefkow

Kuwaitische Soldaten sind am frühen Mittwoch morgen jubelnd in Kuwait-Stadt eingerückt. Die dramatische Ankunft ihrer Befreier nach mehr als sechs Monaten irakischer Besetzung wurde überschwenglich von der Zivilbevölkerung der Hauptstadt des Emirats gefeiert. Tausende säumten die Straßen, hunderte von Autos reihten sich wild hupend in den Triumphzug der gepanzerten Einheiten ein, die mit ihren Waffen pausenlos in die Luft feuerten.

Während Bilder von Iraks Präsidenten Saddam Hussein verbrannt wurden und zwei Männer einen Affen mit dem Schild „Saddam“ herumspazierten, tauchten immer mehr Portraits des Emirs von Kuwait, Scheich Jaber el Ahmed el Sabah, in den mit stinkendem Müll und ausgebrannten Autowracks überfüllten Straßen der Metropole am Persischen Golf auf.

77 Stunden nach Beginn der alliierten Bodenoffensive ist Kuwait- Stadt wieder befreit. Der kuwaitische Widerstand kontrolliert gemeinsam mit regulären kuwaitischen Truppen und US-Soldaten die Stadt. Dennoch mahnen Offiziere zur Vorsicht, intakte irakische Widerstandsnester werden weiter auf dem Gebiet der Stadt vermutet. Demgegenüber erklären Augenzeugen, daß die Iraker fluchtartig die Stadt verlassen hätten. Etwa 30 hätten sich vor kurzem kampflos ergeben.

„Ich bin sehr, sehr glücklich“, sagt der 20jährige Hussein el Khodari gegenüber 'afp‘. „Ich möchte mich bei allen von Ihnen bedanken, vor allem bei US-Präsident George Bush. Fühlen Sie sich in Kuwait wie zu Hause“, ruft er mit Tränen in den Augen aus und erzählt, daß seine Schwester von irakischen Soldaten ermordet worden sei. Sprecher des kuwaitischen Widerstands sagten, sie hätten etwa 2.000 Iraker gefangengenommen. Diese seien nun in einer Polizeistation interniert.

Die Iraker hinterlassen bei ihrer Flucht auf den ersten Blick eine verwüstete Stadt. Offenbar kurz vor ihrem Blitzabzug wurden Gebäude an der Strandpromenade in Brand gesteckt. Anwohner meinten hierzu, die Häuser hätten die alliierten Bombardements über Wochen unbeschädigt überstanden.

Entnervt berichtete der Chefportier des Luxushotels Kuwait International, das direkt gegenüber der von US-Sondereinheiten abgeriegelten US-Botschaft liegt, die irakischen Soldaten hätten bei ihrem Rückzug vor dem Hotel halt gemacht und die Zimmer geplündert. Fernseher, Videorekorder, Kühlschränke und selbst einfache Handtücher seien aus den Zimmern gestohlen worden. Anschließend hätten sie Feuer gelegt. Die zahlreichen Panzer- und Autowracks in den Straßen lassen für Beobachter den Schluß zu, daß die Iraker offenbar versucht haben, sich mit der Blockade ihrer innerstädtischen Fluchtwege vor den anrückenden Alliierten zu schützen.

Der 'ap‘-Korrespondent John King berichtet aus Kuwait-Stadt, daß die Metropole zum Teil ein Trümmerhaufen sei — mit ausgebrannten Häusern, Bombenruinen, ohne Wasser und ohne Strom. Irakische Soldaten hätten nach der Besetzung des Ölscheichtums Paläste und Villen in der Stadt verwüstet und mitgeschleppt, was sie nur tragen konnten.

Die Angriffe der Alliierten richteten weitere Schäden an. So schlug eine Rakete im Wahrzeichen der Stadt ein, den Wassertürmen an der Küstenstraße. Schätzungen zufolge seien mehr als die Hälfte der 450.000 Einwohner der Stadt geflüchtet. Der CNN-Reporter Brian Jenkins berichtete am Dienstagabend, er habe gerade eine der „traurigsten und unheimlichsten Touren hinter sich, die man sich vorstellen kann — eine kurze Fahrt durch die Innenstadt von Kuwait, die ihren Reichtum und ihre Menschlichkeit eingebüßt hat.“

Schon wenige Stunden nach der Befreiung gibt es erste Anzeichen für eine Rückkehr zu einem etwas normaleren Leben. Angehörige der Stadtverwaltung haben mit dem Wegräumen des stinkenden Mülls begonnen, der seit der irakischen Invasion Anfang August 1990 in der Sonne verrottete. Mitglieder der Widerstandsbewegung regeln den Straßenverkehr.

Unterdessen bereiten sich Zivilisten und Soldaten auf die erste Nacht in Kuwait-Stadt nach dem irakischen Abzug vor. „Das gibt eine Riesenparty“, sagt ein US-Soldat, der seit dem 29. August am Golf stationiert ist. „Mit dem Einzug der Alliierten in Kuwait-Stadt hat unser langer Weg nach Hause begonnen“, fügt er schmunzelnd hinzu.

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