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Wohltuende Bilder für die Heimatfront

■ Bei CNN heißt das Motto der Kriegsberichterstattung aus dem Persischen Golf statt „War in the Gulf“ ab sofort: „Towards Peace in the Gulf“/ Die Medien singen ein Hohelied auf die Menschlichkeit der Sieger

Richmond, Ohio (taz) — Morgens im Motel an der Autobahn I-70, östlich von Indianapolis. Der Gast erwacht zu den Bildern freudetrunkener Kuwaitis, die ihre Befreier umarmen. Kuwaitische Kinder werden von kaugummikauenden GI's in die Luft gehalten und geküßt. Déjà vu: 1945. Der Krieg ist vorbei. Die Befreier sind in der Stadt. „Thank You“, Dankesworte mit arabischem Akzent und Freudentränen nach mehr als sechs Monaten Belagerung und Terror.

Mit 20jähriger Verspätung liefern die Kuwaitis Amerika das, was ihnen damals diese verstockten Vietnamesen versagt hatten, und was es auch im Europa der achtziger Jahre immer seltener zu sehen gab: Bilder von US-Truppen, die auch im Ausland geliebt wurden.

Solche Märchen aus fernen Ländern, darauf hat der englische Reiseschriftsteller Jonathan Raban in seinem Buch über Amerika hingewiesen, handeln nach ihrer Filterung durch die hiesigen Medien nicht mehr „von denen da draußen“, sondern „von uns hier zu Hause“. Alle Nachrichten sind Lokalnachrichten.

So geriet den US-Networks der Fall der Berliner Mauer und der Sturm der Ostberliner auf die Supermärkte im Westen der Stadt zur Feier des „American Way of Life“. Der Untergang Honeckers und der Aufstieg Havels, schreibt Raban, entsprachen aus der Perspektive der amerikanischen Vorstädte „einer erfolgreichen Bestätigung der (eigenen) Rasensprenganlagen und automatischen Lichtschranken zur Öffnung der Garagentüren“.

Nach diesem eindrucksvollen Sieg ihres kapitalistischen Modells zelebrieren die USA am Golf nun ihren nächsten Triumph: die weltweite Überlegenheit ihrer militärischen Organisationsmacht und ihrer Kriegstechnologie.

Daß dieser Erfolg ausgerechnet von der einzigen planwirtschaftlich organisierten Branche — der Rüstungsindustrie und dem Pentagon — errungen wurde, während die übrigen privatwirtschaftlich organisierten Industriezweige weiter an internationaler Wettbewerbsfähigkeit einbüßen, entbehrt dabei nicht einer gewissen Ironie.

Am Tag, an dem die ersten US-Marines in Kuwait City einmarschierten, gab der letzte US-amerikanische Hersteller von Fernsehgeräten den Verkauf weiterer fünf Prozent seiner Aktien an den südkoreanischen Elektronikkonzern „Goldstar“ bekannt. Das Land, das intelligente Bomben entwickelt, die um Straßenecken fliegen können, bringt es kaum noch fertig, Fernseher herzustellen, die sich vom Bett aus bedienen lassen.

Das Bruttosozialprodukt im letzten Quartal vor Kriegsbeginn sank um weitere zwei Prozent. Doch davon lassen sich eben keine eindrucksvollen Bilder aufnehmen.

Die Kameras der „Morning News“ folgen den US-Truppen in den Irak, wo lange Menschenketten erbärmlich aussehender Kriegsgefangener durch den Wüstensand geführt werden. Trotz der im Anschlag gehaltenen Maschinenpistolen wird der Feind vorbildlich behandelt. Auch dies Bilder, wie sie Amerikaner gerne mögen: Im Krieg sind wir furchtbar, im Frieden großzügig und barmherzig.

Blieb nur die Frage, ob diese zu Tausenden überlaufenden und kläglich dreinschauenden irakischen Krieger überhaupt jemals eine so schlagkräftige Truppe darstellten, wie uns Fernsehzuschauern das Pentagon monatelang glauben machte? Sollte der US-Militär- und Geheimdienstapparat, der 40 Jahre lang die wirtschaftliche und militärische Macht der Sowjetunion so systematisch überschätzt hatte, nun auch die Bedrohung im Mittleren Osten wieder gnadenlos übertrieben haben?

Der einzige Reporter, der es wagte, die Frage nach der plötzlich problemlosen Überwindung der angeblich so tödlichen Minenfelder stellte, wurde von General Schwarzkopf wie ein Schuljunge abgekanzelt.

„Waren Sie überhaupt schon mal in einer Kampfzone?“, zweifelte der zukünftige Fünf- Sterne-Star der siegreichen US-Army die Kompetenz des Journalisten an. Natürlich nicht, antwortete der Zivilist, schließlich hatten ihn die Zensoren des Generals sechs Wochen lang vom Schlachtfeld ferngehalten.

Dies war ein Krieg der Bilder, nicht der Opfer. Letztere waren fast ausschließlich auf der irakischen Seite zu finden und blieben so mit wenigen Ausnahmen außerhalb der Schußweite westlicher Kamerateams. Die jetzt gezeigten Aufnahmen aus den vorbildlich ausgestatteten Feldlazaretten der US-Streitkräfte erinnern dagegen in ihrer Harmlosigkeit eher an die Szenen aus der Vietnamkomödie und Fernsehserie M.A.S.H. als an einen wirklichen Kriegsschauplatz.

Mit diesen Bildern des schmerzlosen Sieges schalten die lokalen TV-Kanäle zu ihrer täglichen Frühkost aus Comics, Talk Shows, Werbung und Seifenopern um. Nach der „action“ vermutet man beim Zuschauer offenbar jetzt schon Desinteresse an den folgenden Verhandlungen über die politische Zukunft des Irak.

Nur noch CNN hat rasch sein blutrotes Logo „War in the Gulf“ durch die wohl ewig gültige Überschrift „Towards Peace in the Gulf“ ersetzt und führt seine Berichterstattung gnadenlos fort: mit Experten und für Experten.

Strahlend wie Honigkuchenpferde sitzen die pensionierten Militärexperten und Ex-Generäle in der Runde, obwohl dies einer ihrer letzten Auftritte sein wird. „Schade, daß ich da nicht dabei sein konnte“, sagt einer, nach der Siegerstrategie des Triumvirats Cheney-Powell-Schwarzkopf befragt. „Aber ich denke, daß mein Job hier bei CNN das Nächstbeste war“. Rolf Paasch

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