: Wer arm ist, muß Gift schlucken
Beim Besuch des polnischen Umweltministers in Bonn geht es um deutschen Müllkolonialismus/ Bundesrepublik soll 6.000 Tonnen Giftmüll zurücknehmen/ Polen als deutscher Giftmüllschlucker ■ Aus Bonn Gerd Nowakowski
Der polnische Umweltminister Nowitzki, am kommenden Montag zu Gast in Bonn, bringt seinem Amtskollegen Töpfer (CDU) unangenehmes Gepäck mit. Polen verlangt die Rücknahme 6.000 Tonnen hochgiftigen Sondermülls, der seit August 1990 in Szczeciner Hafen lagert. Die Filterstäube aus deutschen Stahlwerken — verseucht mit Cadmium, Chrom, Arsen und möglicherweise auch Dioxin — waren von der Duisburger Firma Handel Transport Abfallverwertung (HTA) zur „Weiterverarbeitung“ verschifft worden. Weitere 1.700 Tonnen, ebenfalls mit Bestimmungshafen Szczecin, hält die Rotterdamer Hafenbehörde seit sechs Wochen fest.
Die polnische Regierung, selbst mit katastrophalen Umweltproblemen konfrontiert, hat den Import von Sondermüll seit 1989 verboten. Dennoch ist das Land ein bevorzugter Zielort deutscher Abfallunternehmen. Was in Deutschland teuer entsorgt werden müßte, kann zum Spottpreis nach Polen verschoben werden. Seit 1989 sind 70.000 Tonnen Giftmüll nach Polen gelangt. Die Firma Kowalewski beispielsweise schickte 400 Fässer hochgiftiger Lösemittel nach Polen. Im ganzen Land stehen mindestens 15.000 Giftfässer herum. Allein HTA hat im ersten Halbjahr 1990 über 25.000 Tonnen Filterstäbe im schlesischen Bergbaubetrieb Boleslaw „aufarbeiten“ lassen, wie Greenpeace festgestellt hat. Die Verarbeitung der hochgiftigen Abfälle ohne jegliche Abgasfilter hat dem Unternehmen pro Tonne 80Mark und der Region eine Verseuchung von allein 300 Tonnen Cadmium, dazu Blei, Arsen, Chrom, Kupfer und Nickel eingebracht. Wenn es nach HTA geht, bleibt es dabei nicht: Die Duisburger Firma, zu deren Kunden auch die Hamburger Stahlwerke gehören, hat mit dem polnischen Unternehmen die Abnahme von 365.000 Tonnen Staub vertraglich vereinbart.
Das polnische Verlangen auf Rücknahme bringt Bonn in Schwierigkeiten. Denn das deutsche Recht ist ebenso lückenhaft wie die internationale Basler Müllkonvention von 1989. Die Bundesregierung hat die Konvention bislang aber noch nicht einmal ratifiziert. Man warte auf eine gemeinsame EG-Regelung, heißt es dazu in Bonn. Die Giftmüll-Exporteure hantieren zudem geschickt mit der gesetzlichen Grauzone. Nach EG-Recht sind beispielsweise Metallstäube kein Abfall, sondern Rohstoff — der Giftmüll wird zum „Wirtschaftsgut“ gemacht.
„Wir wollen das absolut wasserdicht unterbinden“, gibt sich Umweltminister Töpfer entschlossen. Die Bundesrepublik müsse vermeiden, „neokolonialistischer Tendenzen bezichtigt zu werden“. Doch sein Ministerium tut sich schwer. „Eine saubere Lösung ist kaum zu machen“, gibt man dort zu. Vereinbart werden soll nun mit Polen eine „intensivere Kommunikation auf Arbeitsebene“, um einen Überblick über die Transporte zu bekommen. Dann könne jeder Einzelfall geprüft werden. Doch die Kompetenz beim Müll liegt bei den Ländern. Der Ermessensspielraum der Behörde, ob sie einer anmeldungspflichtigen Ausfuhr widerspricht, ist gegeben, wird aber nicht genutzt. Nach Ansicht des Greenpeace-Vertreters Andreas Bernstorff würde zwar ein nationaler Alleingang eines generellen Müllexport-Verbots an der EG scheitern. Doch wenn Töpfer ernst machen wolle, könne sie sich ein Beispiel an Italien nehmen. Dort ist der Müllexport in Nicht-OECD-Länder verboten. Und dazu gehört Polen.
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